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Internationale Ratingagentur im Visier der ESMA

Von Dr. Oliver Everling | 24.März 2023

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die Finanzmarktregulierungs- und -aufsichtsbehörde der EU, hat gegen S&P Global Ratings Europe Limited (S&P) eine Geldbuße von insgesamt 1.110.000 EUR verhängt. Dazu erfolgte eine öffentliche Bekanntmachung wegen Verstößen gegen die EU-Verordnung über Kreditratingagenturen (CRA-Verordnung).

Der Vorgang zeigt erneut, dass es Verstöße gegen die CRA-Verordnung nicht nur bei kleinen Agenturen wie der Berliner „Scope Ratings“, sondern auch bei international führenden Agenturen geben kann.

Die ESMA stellte fest, dass S&P Kreditratings veröffentlichte, bevor die betreffenden Wertpapiere von den bewerteten Unternehmen emittiert und dem Markt bekannt gegeben wurden. Dies war auf interne Kontrollfehler zurückzuführen und führte zu Verstößen von S&P gegen seine Transparenzverpflichtungen.

Verena Ross, Vorsitzende der ESMA, sagte: „Die heutige Maßnahme gegen S&P unterstreicht die Bedeutung, die die ESMA den Ratingagenturen beimisst, die ihren Verpflichtungen zur rechtzeitigen Offenlegung von Informationen über Ratings gegenüber dem Markt nachkommen. Die Veröffentlichung eines Kreditratings vor der Emission der bewerteten Wertpapiere kann dem Emittenten, den Anlegern und ganz allgemein dem ordnungsgemäßen Funktionieren der Finanzmärkte schaden.“

Die von der Geldbuße erfassten Verstöße beziehen sich insbesondere auf: (1) Mängel in den internen Kontrollmechanismen von S&P, die die Einhaltung seiner Verpflichtungen in Bezug auf die rechtzeitige Offenlegung von Kreditratings nicht gewährleisteten; (2) das Versäumnis von S&P, Entscheidungen zur Einstellung von Kreditratings rechtzeitig und nicht willkürlich  offenzulegen; (3) das Versäumnis von S&P, der ESMA aktuelle Ratinginformationen vorzulegen.

Es wurde festgestellt, dass alle Verstöße auf Fahrlässigkeit seitens S&P zurückzuführen waren. Bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigte die ESMA sowohl erschwerende als auch mildernde Faktoren, die in der CRA-Verordnung vorgesehen sind.

ESMA listet die Verstöße von S&P gegen die Verordnung über Kreditratingagenturen im Einzelnen auf:

(a) Verstoß gegen interne Kontrollen: Die ESMA stellte fest, dass die Mängel in den internen Kontrollverfahren und die Art und Weise, wie diese Verfahren umgesetzt wurden, dazu führten, dass S&P vorzeitig Kreditratings veröffentlichte. Insbesondere stellte die ESMA fest, dass S&P zwischen dem 5. Juni 2019 und dem 8. September 2021 angeforderte Kreditratings für sechs Emittenten vorzeitig veröffentlichte, d. h. die Kreditratings wurden von S&P vor der Emission der Wertpapiere durch die bewerteten Unternehmen und der Bekanntgabe an den Markt veröffentlicht. Infolgedessen verhängte die ESMA eine Geldbuße von 825.000 EUR gegen S&P, weil das Unternehmen keine internen Kontrollmechanismen hatte, um sicherzustellen, dass es seinen Verpflichtungen zur zeitgerechten Offenlegung von Kreditratings nachkommt.

(b) Verstöße im Zusammenhang mit Transparenzpflichten: Die ESMA stellte fest, dass S&P zwischen 2019 und 2021 in sechs Fällen ohne Angabe von Gründen Kreditratings von seinen öffentlichen Plattformen entfernte. Infolgedessen verhängte die ESMA eine Geldbuße von 210.000 EUR gegen S&P, weil die Ratingagentur es versäumt hatte, Entscheidungen zur Einstellung von Kreditratings rechtzeitig und auf nicht selektiver Basis offenzulegen.

Die ESMA stellte außerdem fest, dass S&P in Bezug auf ein bewertetes Unternehmen nicht sichergestellt hat, dass die Informationen, die es der ESMA zur Veröffentlichung auf der European Rating Platform (ERP) übermittelt hat, korrekt und aktuell sind. Daraufhin verhängte die ESMA eine Geldbuße von 75.000 Euro gegen S&P.

Gegen die Entscheidungen der ESMA hat die Ratingagentur ein Beschwerderecht: Gegen diese Entscheidung kann S&P bei der Beschwerdekammer der Europäischen Aufsichtsbehörden Berufung einlegen. Eine solche Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, obwohl es der Beschwerdekammer möglich ist, die Anwendung der Entscheidung gemäß Artikel 60 Absatz 3 der ESMA-Verordnung auszusetzen.

Die Berliner Ratingagentur „Scope Ratings“ hatte seinerzeit von ihrem Recht Gebrauch gemacht, gegen Entscheidungen der ESMA Berufung einzulegen. Die Gemeinsame Beschwerdekammer der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA – Europäische Bankenaufsichtsbehörde, Europäische Behörde für Versicherungen und betriebliche Altersversorgung und Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) hatte die Entscheidung der ESMA erneut geprüft und daraufhin einstimmig beschlossen, die Beschwerde der Berliner gegen ESMA in Bezug auf die Auslegung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen der Verordnung über Ratingagenturen zurückzuweisen. Es blieb daher bei den Vorwürfen, die der Ratingagentur „Scope Ratings“ zu machen waren.

Themen: Anleiherating, Kreditrating | Kein Kommentar »

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