« | Home | »

„No Landing“ und die Herausforderungen für die US-Wirtschaft

Von Dr. Oliver Everling | 4.Oktober 2023

Ein Blick auf die Analyse von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL: In der Welt der Wirtschaft gibt es viele Begriffe und Konzepte, die für Laien oft schwer verständlich sind. Eines dieser Konzepte ist „No Landing“, ein Begriff, den Volkswirte verwenden, um eine bestimmte Phase in der Wirtschaftsentwicklung zu beschreiben. Diese Phase wird dadurch gekennzeichnet, dass die Zinsen von den Notenbanken angehoben werden, um die Inflation zu bekämpfen. Das Ziel ist es, den Inflationsdruck zu reduzieren. Allerdings tritt in dieser Phase keine nennenswerte Abkühlung der Wirtschaft auf. Im Gegenteil, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bleibt weitgehend stabil. Dies führt dazu, dass der Inflationsdruck hoch bleibt. Um die Inflation in den Griff zu bekommen, müssen die Notenbanken die Zinsen weiter anheben, bis schließlich eine Rezession eintritt. In der Geschichte der Vereinigten Staaten wurden bisher nur zwei Arten von Landungen dokumentiert: Soft oder Hard Landings. Diese beziehen sich auf deutliche Wachstumsabkühlungen oder tiefe Rezessionen, die nach einem Zinserhöhungszyklus der Federal Reserve (Fed) auftreten.

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL, hat sich zu dieser Thematik geäußert und beleuchtet die aktuellen Entwicklungen auf den Finanzmärkten. Eine der wichtigen Fragen, die derzeit an den Börsen diskutiert wird, betrifft die Leitzinsspitze in den USA. Es wird davon ausgegangen, dass diese erreicht ist, und die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinsanhebung im Dezember oder Januar beträgt etwa 40 Prozent. Das Hauptszenario, so Mumm, ist jedoch eine längere Phase mit anhaltend hohen Zinsen auf dem aktuellen Niveau. Die tatsächliche Wirkung der bisherigen Zinsanhebungen ist nach wie vor schwer abzuschätzen. Dies liegt unter anderem an den strukturellen Veränderungen in den Wirkungsketten aufgrund fundamentaler Veränderungen in den letzten Jahren.

Ein besonders augenfälliges Beispiel für diese Veränderungen ist der Arbeitsmarkt nach der Coronakrise. Obwohl es klare Anzeichen für eine wirtschaftliche Abkühlung gibt, wie rückläufige Aktienkurse, fallende Immobilienpreise, ein Absinken der Stimmungsindizes der Unternehmen und eine weltweite Industrierezession, verharrt die US-Wirtschaft auf einem Vollbeschäftigungsniveau. Dies ist überraschend, da man angesichts dieser Indikatoren eine steigende Arbeitslosigkeit erwartet hätte. Die Fed ist daher gezwungen, „auf Sicht zu fahren“ und ihre geldpolitische Ausrichtung von Sitzung zu Sitzung datenabhängig anzupassen. Dies führt zu erhöhter Unsicherheit für Marktteilnehmer.

Trotz dieser Unsicherheit geht Carsten Mumm davon aus, dass es in den kommenden Monaten zu einer spürbaren Abkühlung der US-Konjunktur kommen wird. Sein Hauptszenario ist eine milde Rezession, die vor allem auf die stark gestiegenen Zinsen bei längeren Laufzeiten zurückzuführen ist. Der ISM-Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in den USA ist zwar zuletzt leicht angestiegen, befindet sich aber weiterhin im kontraktiven Bereich. Schwache Auftragseingänge, sinkende Lagerbestände und eine deutlich nachgebende Preiskomponente deuten ebenfalls auf eine abkühlende Konjunktur hin.

In Bezug auf die Beschäftigungslage zeigt sich ein gemischtes Bild. Einige Unternehmen berichten von Einstellungsstopps, während andere Schwierigkeiten haben, genügend Personal zu finden. Der bevorstehende August-Arbeitsmarktbericht wird voraussichtlich eine leicht schwächere Beschäftigungslage anzeigen.

An den Börsen wird das Konzept von „No Landing“ daher kurzfristig weiterhin intensiv diskutiert werden. Dies könnte dazu führen, dass Aktien, Edelmetalle und der Euro im Vergleich zum US-Dollar weiter konsolidieren. Allerdings erwartet Carsten Mumm, dass sich die Situation im Verlauf des Herbstes ändern wird. Schwächere US-Konjunkturdaten sollten eine Umkehr gegen Ende des Jahres einleiten.

Insgesamt bleibt die Lage an den Finanzmärkten und in der US-Wirtschaft komplex und von Unsicherheit geprägt. Die Entwicklungen werden eng verfolgt, und die Einschätzungen von Experten wie Carsten Mumm sind wichtige Wegweiser für Investoren und Wirtschaftsbeobachter.

Themen: Aktienrating | Kein Kommentar »

Kommentare

Sie müssen eingelogged sein um einen Kommentar zu posten.