Währungsunion bleibt instabil

Von Dr. Oliver Everling | 18.Oktober 2017

Spaltet oder eint der Euro als Währung Europa? Und hat die Währungsunion im Zeichen von Brexit, EZB-Politik, Strukturproblemen und Populismus überhaupt noch eine Zukunft? Über diese Fragen diskutierten namhafte Europa-Experten beim „2. FERI Science Talk“, ausgerichtet vom FERI Cognitive Finance Institute in Bad Homburg.

„Eine wirklich stabile Währungsunion bleibt wohl ein Traum“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Leiter des FERI Cognitive Finance Institute. Die Idee eines vereinten Wirtschaftsraums mit einem stabilen Euro stehe aktuell wie nie zuvor auf der Kippe – auch aufgrund der neuen Vorstöße von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Zwar präsentiere die EU-Kommission immer wieder neue Reformideen, diese seien jedoch realitätsfern oder schlicht weltfremd. „Einen wirklich guten Plan für die Zukunft der Währungsunion gibt es nicht“, so Rapp.

Besonders bedrohlich erscheine das Problem der sogenannten TARGET-Salden. Diese seien – auch durch die Politik der EZB -erneut stark angestiegen. Aus Sicht der stabilen Euro-Länder, darunter Deutschland, repräsentiere dies zukünftig enormes politisches Erpressungspotential. Ob es Politikern gelingt, die Währungsunion künftig wieder auf eine stabile Basis zu bringen, sei mehr als fraglich. Realistische Szenarien seien deshalb eine fragile „Transferunion“, eine Spaltung mit möglichen Austritten einzelner Länder oder auch der komplette Zerfall der Währungsunion.

„Der größte Fehler in Europa war die Einführung des Euro“, betont Felix W. Zulauf, renommierter Schweizer Anlagestratege und Vermögensverwalter. „Man hat Europa damit etwas aufgezwungen, das angesichts der unterschiedlichen strukturellen Ausgangslagen in den Ländern wirtschaftlicher Unsinn ist“. In dieser Form sei die Einheitswährung Wegbereiter für Zentralismus und damit letztlich Sozialismus.

Eine geordnete Auflösung der Währungsunion hält Prof. Dr. Hans Peter Grüner von der Universität Mannheim für undenkbar. „Wir befinden uns in einer Ehe mit erheblichen Ausstiegskosten. Deshalb müssen wir alles daran setzen, um die europäische Währungsunion zukunftsfähig zu machen“. Vor allem im Hinblick auf die südeuropäischen Mitgliedsstaaten und die Forderungen Frankreichs sei es jetzt notwendig, sich flexibel zu zeigen. „Eigentlich ist Europas Wirtschaft über den Berg. Aber die politische Stimmung hinkt der positiven ökonomischen Entwicklung hinterher“, so Grüner, der auch Fellow des Center for Economic Policy Research in London ist.

Dass ein Europäischer Währungsfonds zur Unterstützung der Reformen und zur Lösung der Schuldenproblematik beitragen könnte, hält Prof. Dr. Michael Wohlgemuth von der Universität Witten/Herdecke für denkbar. „Allerdings kommt es auf seine Kompetenzen und die Ausstattung an“. Die EZB werde durch einen solchen Währungsfonds entlastet, fraglich bleibe jedoch die Entscheidungsfindung und die Finanzierung – zumal gerade Deutschland in einem solchen Fonds eine wichtige Rolle als Geldgeber spielen würde.

Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass im Zuge der Diskussionen um die Zukunft Europas nicht nur die südeuropäischen Staaten und Frankreichs Präsident Macron den Ton angeben dürften. „Sonst wird Deutschland zum Zahlmeister der Union“, so der Schweizer Investor Felix Zulauf.

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Nachlassende Anlegeraktivitäten

Von Dr. Oliver Everling | 18.Oktober 2017

„Das ebase-Fondsbarometer zeigt, dass die Handelsaktivitäten der ebase-Kunden – nach einem sehr handelsintensiven ersten Halbjahr – im dritten Quartal auf das Niveau des Vorjahres zurückgegangen sind“, sagt Rudolf Geyer, Sprecher der Geschäftsführung von ebase. „Das gilt sowohl für aktiv gemanagte Investmentfonds als auch für ETFs.“

Während die Handelsaktivitäten der ebase-Kunden bis Mitte des Jahres noch deutlich über dem Durchschnitt des vergangenen Jahres lagen, haben diese aktuell spürbar nachgelassen. Der Monat September markiert mit einem Stand von 97 Prozentpunkten des Vorjahresschnitts den diesjährigen Tiefststand. Damit liegen die Handelsaktivitäten bei aktiv gemanagten Fonds in diesem Jahr erstmalig unter dem Durchschnitt des Jahres 2016. Eine ähnliche Entwicklung ist bei dem an sich volatileren ETF-Handel festzustellen. Nach einem Zwischenhoch im August mit 112 Prozentpunkten ist der Indexwert im September auf 92 Prozentpunkte zurückgegangen.

Ungeachtet der rückläufigen Handelsaktivitäten zeigt der Kaufquotient des ebase-Fondsbarometers, der Auskunft über das Verhältnis von Mittelzuflüssen zu Mittelabflüssen gibt, dass die Käufe in den vergangenen drei Monaten die Verkäufe jedoch weiterhin deutlich überwogen. „Trotz der nachlassenden Handelsaktivität ist das Interesse der ebase-Kunden an Fonds nach wie vor ungebrochen, die Anleger bauen ihre Positionen weiterhin aus.“ Für das dritte Quartal 2017 liegt der Kaufquotient bei 1,24. Es wurden also 24% mehr Gelder in Fonds angelegt als abgezogen.

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Besser gerechnet, bessere Bonität

Von Dr. Oliver Everling | 18.Oktober 2017

Auf den ersten Blick scheint klar, wie sich die monatlichen Ausgaben eines Studenten zusammensetzen. Rund 800 Euro kostet ein Studium laut der aktuellen Sozialerhebung der Studentenwerke pro Monat. „Dieser Mittelwert bietet dem Einzelnen bei der Planung seines Budgets aber bestenfalls einen Anhaltspunkt“, sagt Anja Hofmann von der auf Studienfinanzierung spezialisierten Deutschen Bildung.

Um Studenten ein Bewusstsein für ihre Einnahmen und Ausgaben zu vermitteln, hat die Deutsche Bildung unter www.deutsche-bildung.de/studienfinanzierung ab sofort ein Online-Tool freigeschaltet. „Neben der einfachen Rechenfunktion, die klar beziffert, ob am Monatsende Geld über ist oder fehlt, bietet das Tool vor allem einen Überblick über alle Posten, die im Studium anfallen können“, sagt Hofmann. „Erfahrungsgemäß haben junge Menschen oft noch kein gutes Gefühl für Finanzen. Plötzlich überrascht der fällige Semesterbeitrag oder die Krankenversicherung, die ab 25 nicht mehr über die Familie läuft“.

Neben den Ausgaben listet der Bedarfsrechner gleichzeitig auch alle Finanzierungsquellen auf, die für das Studium möglich sind. „Ziel des Bedarfsrechners ist es, sich mit der eigenen Studienfinanzierung auseinanderzusetzen, sämtliche Kosten zu bedenken und einen realistischen Finanzierungsplan aufzustellen.“

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Vontobel schluckt Researchkosten

Von Dr. Oliver Everling | 18.Oktober 2017

Die 2018 in Kraft tretende europäische Finanzmarktrichtlinie MiFID II verlangt unter anderem von Finanzdienstleistern, ihre Kosten für Research gegenüber dem Kunden offenzulegen und zu entscheiden, wie diese Kosten gedeckt werden sollen. „Vontobel Asset Management hat daher entschieden,“ heißt es in einer Pressemitteilung der Gesellschaft, „die Kosten für Research-Dienstleistungen für alle Fonds und Kundenmandate, die unter die MiFID II-Regelung fallen, nicht den Kunden weiterzuberechnen.“

„Mit dieser Entscheidung schaffen wir Klarheit für unsere Kunden und machen unsere Kostenstruktur transparenter. Zudem sehen wir die Chance, dass der Kunde durch fokussierteren Research bei den Anlageentscheidungen profitiert“, so Axel Schwarzer, Leiter Vontobel Asset Management.

Durch diesen Entscheid fallen jährlich zusätzliche Kosten in Höhe eines niedrigen einstelligen Schweizer Franken Millionenbetrags an, die in den Ende August 2017 veröffentlichten Zielen 2020 bereits berücksichtigt seien.

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Adele Spitzeder

Von Dr. Oliver Everling | 13.Oktober 2017

Mindestens 30.000 Menschen verloren ihr Geld, als im November 1872 die „Spitzeder’sche Privatbank“ zusammenbrach. Julian Nebel macht mit seinem Buch „Adele Spitzeder – Der größte Bankenbetrug aller Zeiten“ die Geschichte dieser Insolvenz im FinanzBuch Verlag zum Gegenstand eines spannenden Sachbuches. Dass die Geschichte filmreif ist, erkannte beispielsweise auch der Österreichische Rundfunk ORF, der daraus einen Fernsehfilm machte.

Der Untertitel der Neuerscheinung – „Der größte Bankenbetrug aller Zeiten“ – darf nicht allzu wissenschaftlich hinterfragt werden, denn im Buch sucht man einen Vergleich mit anderen Betrugsgeschichten von Banken wie auch eine Diskussion der dafür anzulegenden Maßstäbe vergeblich. Immerhin werden im Nachwort des Buches Charles Ponzi aus den 1920er Jahren sowie Bernard L. Madoff genannt, letzterer betrieb bis zur Finanzkrise 2008 ein milliardenschweres Schneeballsystem.

„Einfallsreichtum, ihr kriminelles Gewerbe durch Manipulation der Medien sowie durch Spenden an die Kirche, an Kriegsversehrte, Studenten und Bedürftige und durch Mauscheleien mit der Polizei abzusichern. Alles in allem war Adele Spitzeder ein Vorbild, eine Blaupause und ein Musterbeispiel für heutige Betrüger“, analysiert Nebel zurecht den Fall dieser außergewöhnlichen Dame.

Dem Autor gelingt es, den Leser mitten in das vorletzte Jahrhundert zu führen und auch die damaligen Lebensverhältnisse anschaulich zu skizzieren. Insbesondere wirtschaftsgeschichtlich interessierte Leser kommen auf ihre Kosten, da sich für sie mit dem konkreten Fall der Adele Spitzeder eine gestochen scharfe Momentaufnahme der damaligen Zeit zeigt, in der das heutige, staatliche Zwangsgeldmonopol noch in den Kinderschuhen steckte: „Mit der Reichsgründung kamen die Währungseinigung und die Mark, die ab 1871 nach und nach in allen Teilen des Deutschen Kaiserreichs eingeführt wurde und spätestens 1876 den bayerischen Gulden ablösen sollte.“

Das Ende zuerst: Nebel führt dem Leser zu Beginn des Buches schon das Ende der Adele Spitzeder vor Augen, so dass sich der Spannungsbogen des Buches daraus ergibt zu verstehen, wie es soweit kommen konnte: „Eine künstliche Panik, empörte sich Adele Spitzeder, die armen Leute seien eine »um ihr Geld besorgt gemachte Menge«. Die Wortwahl ist nicht zufällig, in ihren Augen war es eine von ihren zahlreichen Feinden bewusst hervorgerufene Panik, die ihr Unternehmen stürzen sollte.“ Die Frage der Gerichtskommission nach den Verpflichtungen ihren Gläubigern gegenüber war wenig ergiebig, berichtet Nebel, und zitiert aus Adele Spitzeders Autobiografie: „Ich erwiderte, daß ich dieselben momentan nicht angeben könne, weil ich, wie schon oft gesagt, keine Handelsbücher führe.“

Adele Spitzeder begann ihre Karriere als Schauspielerin, die offenbar über ihren Verhältnissen lebte. „Ein Gastspiel am badischen Hoftheater in Karlsruhe war ein letztes Aufbäumen. Auch hier wurde ‚mir überall der Beifall des Publikums und eine höchst freundliche Beurteilung der Presse zuteil‘. Doch schon bald kehrte sie trotz anhaltendem Erfolg nach München zurück, und zwar bankrott. Die genauen Ursachen dieses ersten Bankrotts der Adele Spitzeder sind unklar. Dass die Schauspielerei ohne festes Engagement kein finanzielles Ruhekissen war, liegt nahe. Dass auch Adeles Lebenswandel mit ursächlich war, scheint gesichert“, berichtet Nebel.

Ein Leben auf Pump warf seine Schatten voraus: „Der Verleiher Isaak R. lieh mir 500 Gulden, gab mir ein schlechtes Ölgemälde dazu und gab mir hierfür auf 3 Monate einen Wechsel auf 800 Gulden«51. Das Geld war aber genauso schnell wieder weg, wie es da war. Abendessen, Miete, die Ablösung alter Kredite, wenn der Kreditgeber zu lästig wurde. Es verrann förmlich unter Adeles Fingern. Sie war nun auf Kreditvermittler angewiesen.“

Nebel schildert die Geburtsstunde des Geschäftsmodells von Adele Spitzeder, als sie einem jungen Paar in einem Gasthaus gegenüber saß, in dem sie sich eingemietet hatte: „Das Geld wechselte den Besitzer. Adele stand auf, sie käme gleich zurück. Sie ging nach oben, beschwingt, das Zimmer war also erst einmal bezahlt, sie musste nicht auf die Straße, auch die jüdischen Wucherer würde sie mit ein paar Anzahlungen erst einmal beruhigen können. Von den 100 Gulden nahm sie 20 wieder mit nach unten, zahlte sie als Zinsen für die ersten zwei Monate sofort aus, denn zu seinem Wort müsse man als Ehrenfrau natürlich stehen. Der Rest, also 110 Gulden, sei dann in drei Monaten abholbar.“ Diese Art der schnellen Geldvermehrung habe die Runde gemacht, gerade noch rechtzeitig, innerhalb ihrer Dreimonats-Galgenfrist.

Nebels Befunde zum Geschäftsmodell der Adele Spitzeder geben noch heute Hinweise darauf, wie Schneeballsysteme identifiziert werden können: „Große Investitionen waren eine zu große Gefahr. Jederzeit konnten ja die Leute auf die Idee kommen, oder von übelmeinenden auf die Idee gebracht werden, ihr Geld sei bei der Spitzeder nicht sicher. Jederzeit also konnte es sein, dass sie große Mengen schnell auszahlen musste. Ein Großteil des eingelegten Kapitals musste also tot liegenbleiben. Ein Gegenwert für die Schulden wuchs also nicht. Aber noch strömte das Geld nur so herein.“

Einfache Leute versammelten sich im Gasthaus der Adele Spitzeder. Nach kritischen Momenten kehrte die Mehrzahl der Besucher offenbar zurück: „Das Gasthaus leerte sich, aber in den Köpfen arbeitete es. Am Ende behielt die Gier, die alte Metze, die Oberhand. Und gleich wie sehr sie gezögert hatten, alle kamen wieder.“ Mundpropaganda war die beste Empfehlung: „Beim Mittagstisch, in Pausen, nach Schichtende, beim Bier, bei tausend täglichen Gelegenheiten erzählten die Auer Arbeiter ihren Kollegen aus dem Dachauer Land von der Bank der kleinen Leute, der Bank der Adele Spitzeder. Und Adeles Kundenkreis wuchs.“

Der Eigentümer der Münchner Neuesten Nachrichten wäre Adele Spitzeder schon zum Verhängnis geworden, denn ihm wurde der Spitzeder’schen Geldverleih genannt. Dieser nannte ihn mangels eines offiziellen Namens „Dachauer Bank“. Durch einen ersten Artikel in den Münchner Neuesten Nachrichten fand dieser Name dann Verbreitung.

Die weiteren Schilderungen Nibels erinnern an die Verbreitung heutiger angeblicher Kryptowährungen wie OneCoin: „Zu viel öffentliche Aufmerksamkeit war nicht gut. Mundpropaganda gehörte zum Geschäftsmodell, aber kritische Zeitungsberichterstattung und Besuche der Polizei nicht.“ Nebel stellt fest: „Doch so heftig, wie das Misstrauen über sie hereingebrochen war, so abrupt endete es. Die zuverlässigen Zahlungen hatten die Zweifel ausgeräumt.“

Die Kirche kam Betrügern auch im 19. Jahrhundert zur Hilfe: „Mit Georg Ratzinger, dem Großonkel des späteren Papstes Benedikt XVI, gründete Sigl 1892 den Bayerischen Bauernbund. Sigl kann auch als Urheber des Begriffs »Saupreiß« gelten, den er im Bayerischen Vaterland gern und oft gebrauchte. Zu Sigls Lieblingsgegnern gehörten die Münchner Neuesten Nachrichten, er nahm gerne jede Gelegenheit wahr, gegen diese zu feuern.“

Nebel illustriert die Rolle der damaligen Medien: „Allgemein waren katholisch-konservative Blätter gut auf Adele Spitzeder zu sprechen. Die Augsburger Postzeitung diffamiert ‚linksliberale Kritik als großartigen Schwindel der Berliner Juden‘. Die Debatte wurde ideologisch. Adele Spitzeder wurde so zur Speerspitze katholisch-konservativer Kreise gegen ein vermeintlich jüdisch-liberales Deutschland.“

Der Fokus lag auf schneller Geldvermehrung: „Insgesamt war im Ein- und Auszahlungsraum ein solches Chaos, ein solches Durcheinander und es wurde mit solcher Geschwindigkeit gearbeitet, dass Genauigkeit ohnehin nur lästig war und auch gar nicht so wichtig.“

Adele Spitzeders Liebe zu Frauen war von wechselvollem Glück. „Da traf es sich gut, dass nebenan Mutter und Tochter Ehinger einzogen. Vor allem die Tochter Rosa hatte es Adele angetan. Auch sie wollte Schauspielerin werden, Adele nahm sich ihrer an, neben ihren Verpflichtungen, Wechsel zu unterschreiben. Bei einigen privaten Nachhilfestunden kamen sich beide näher, die inzwischen 40-jährige Adele und Rosa mit zarten 21.“ Rosa wurde der Zusammenbruch des Systems ihrer Partnerin zum Verhängnis.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für betrügerische Modelle war damals wie heute ein wohlwollender Klerus. „Michael Buchele war Pfarrer von Hirtlbach im Kreis Dachau und einer der vielen Kleriker, mit denen Adele ein gutes Einvernehmen pflegte. Pfarrer Buchele ‚legte mehrere tausend Gulden bei mir an und, da er die Zinsen stets selbst holte, vom Publikum aber nicht gesehen werden wollte, so empfing ich ihn seinem Wunsche gemäß in meiner Wohnung‘. Und Pfarrer Buchele bestätigte den Namen Dachauer Bank, hätten doch ‚die Leute seiner Gegend alle ihre disponiblen Gelder bei mir liegen‘.“

Spielte mal ein PFarrer nicht gleich mit, wurde er gekauft, berichtet Nebel: „Ein Abstecher in die Privatzimmer der Adele Spitzeder im ersten Stock machte den Vorhaltungen ein Ende. Dort lagerte sie ihr Geld und händigte dem Prediger ‚zu Wohltätigkeitszwecken‘ 1.000 fl. aus. ‚Sehen Sie, Hochwürden, so rächt sich eine Christin‘, seien ihre Abschiedsworte gewesen. Kritik von der Auer Kanzel war nicht mehr zu hören.“

„Anfang 1872 bekam sie von einem Bettelmönch ein großes Kreuz an einem Anhänger geschenkt,“ berichtet Nebel, „das sie von nun an immer zur Schau stellte. In den Zimmern der Bank wurden Heiligenbilder aufgehängt, damit auch ja jeder die Frömmigkeit der Hausherrin bewundern konnte. Allgemein galt sie als Wohltäterin und Bankerin zum Anfassen.“

Auch Staatsdiener ließen sich von Adele Spitzeder überzeugen, denn „sie ersann eine Gegenstrategie, vergab an Polizisten Darlehen zu einem niedrigen Zinssatz. Das sprach sich herum. Sie baute einen ganz neuen Kundenkreis auf, bald waren so viele Polizisten bei ihr Schuldner, dass sich dies sogar bis zum Polizeidirektor Burchtorff herumsprach. Der war fuchsteufelswild. Befahl, dass kein Polizist Kunde dieser Dachauer Bank sein durfte. Adele Spitzeder wusste Rat. Sie trat die Schuld einfach an ihre Bediensteten ab.“

Mit der Verhaftung von Adele Spitzeder lag ihre „Bank“ in Scherben: „Es konnte nicht einmal festgestellt werden, wie viel Geld denn gerade in den Räumen der Spitzeder’schen Privatbank vorhanden gewesen sein müsste, ein Kassenbuch existierte nicht, nicht einmal eine Erkenntnis über Außenstände und Schulden ließ sich den Büchern entnehmen. Ein Quittungsbuch gab es, in dem die Kunden unterschrieben hatten, wenn sie Geld ausgezahlt bekamen. Allein die Namen und Unterschriften waren nicht zu entziffern, Schreibunkundige hatten die üblichen drei Kreuze gemacht.“

Nebel nutzt für sein Buch eine Reihe gesicherter Literaturquellen und Dokumente, um Adele Spitzeder von ihrer Jugend bis zur Haftentlassung vor den Augen der Leser lebendig werden zu lassen: „Von nun an trat sie unter dem Namen Adele Vio auf. Sie komponierte und sang ihre eigenen Lieder, von denen jedoch keine mehr erhalten sind. Hiervon war ein bescheidenes Auskommen möglich, aber eben nur ein bescheidenes. Ein wenig mehr Geld war in Aussicht, als sie im Jahr 1878 ihre Memoiren veröffentlichte, die sie im Gefängnis geschrieben hatte und die nun für 5 Mark erhältlich waren.“

Julian Nebel hat die Chance erkannt, aus einer Reihe historischer Dokumente und Aufzeichnungen ein spannendes Sachbuch zu machen. So gelingt ihm eine detailreiche Darstellung des Verlaufs eines betrügerischen Geschäftsbetriebs, wie er noch heute zum Schaden von gutgläubigen Anlegern in immer neuen Varianten erfunden wird.

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HNA und Deutsche Bank

Von Dr. Oliver Everling | 13.Oktober 2017

Intransparenz der Eigentums- und Führungsstrukturen gehört zu den Wesensmerkmalen chinesischer Großkonzerne, da sie stets nicht nur Aktionärsinteressen zu berücksichtigen haben, sondern auch mit der kommunistischen Führung des Landes harmonieren müssen.

Nach den VARD-Berufsgrundsätzen sind die Aufsichtsräte dem Unternehmenswohl verpflichtet. „Deutsche Bank: Welche Rolle spielt Aufsichtsrat Alexander Schütz?“ Diese Frage stellt sich nun das Deutsche Corporate Governance Institut. „Wer steckt hinter dem chinesischen Großaktionär HNA, der immerhin 9,9 Prozent an Deutschlands größter Bank hält?“

Das Handelsblatt hat mehrere Monate recherchiert und ist auf eine extrem verschachtelte und intransparente Eigentümerstruktur gestoßen, berichtet das DCGI, eine Eigentümerstruktur, „die gegen zentrale Corporate-Governance-Prinzipien verstößt und drängende Fragen aufwirft – vor allem, welchen Einfluss die chinesische Regierung hat und ob sie womöglich sogar versucht, via HNA staatliche Interessen durchzusetzen.“

„Sollte dies der Fall sein, wäre das die Aufgabe des Wiener Vermögensverwalters Alexander Schütz, der für die HNA in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank eingezogen ist. Bislang, ist aus dem Umfeld der Bank zu hören, dass es dafür keine Anzeichen gibt. Damit haben wir keinen Grund, an Schütz‘ Aussage zu zweifeln, dass es „keine politische Einflussnahme“ gibt. Trotzdem erinnern wir vorsorglich daran, dass Aufsichtsräte ihr Mandat ausschließlich zum Wohle des Unternehmens – und nicht einzelner Stakeholder – ausüben sollen.“

Auf Moody’s Annual Frankfurt Banking Conference war zwar nicht das Governancerating der Deutschen Bank ein Thema, wohl aber Kennzahlen, nach denen die Deutsche Bank im Vergleich zu ihren Peers ungünstiger zu beurteilen ist. Im Baseline Credit Assessment erreicht die Deutsche Bank keine Anlagequalität mehr, sondern verweilt bei Moody’s ba1.

 

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Chinesen um Image bemüht

Von Dr. Oliver Everling | 12.Oktober 2017

Die chinesische HNA Group und C-QUADRAT beteiligen sich an einer Hilfsaktion für Flüchtlingsfamilien im Nordirak und finanzieren 100 versperrbare und mit Strom versorgte Fertigteilhäuser.

Seit ihrer Gründung hat die HNA Group bereits rund 1,5 Milliarden USD karitative Spenden über ein Spektrum von Initiativen geleistet und erst im Juni dieses Jahres wurden im Rahmen ihrer jährlichen Charity Night in Paris weitere Leistungszusagen von mehr als 35 Millionen USD bekannt gegeben.

Chen Feng, Vorstandsvorsitzender der HNA Group: „Die HNA Group ist auf der Verpflichtung aufgebaut, etwas zurückzugeben und dazu beizutragen, dass die Menschen auf der ganzen Welt ein besseres Leben führen können.“

Die HNA Group ist ein Fortune Global 500 Unternehmen mit den Schwerpunkten Tourismus, Logistik und Finanzdienstleistungen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1993 hat sich die HNA Group von einer regionalen Fluggesellschaft auf der Insel Hainan in Südchina zu einem internationalen Unternehmen mit einem Vermögenswert von etwa 145 Milliarden USD, über 90 Milliarden USD Jahresumsätzen und einer internationalen Belegschaft von 410.000 Mitarbeitern entwickelt, die vorwiegend in Amerika, Europa und Asien tätig sind.

„Gemeinsam mit der HNA Group möchten wir Familien, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, mit einer menschenwürdigen Unterkunft die Rückkehr erleichtern. Mit unserem Beitrag hoffen wir, eine nachhaltige Verbesserung der Lebensumstände von Menschen in Krisensituationen zu bewirken“, sagt C-QUADRAT Vorstand Cristobal Mendez de Vigo.

C-QUADRAT unterstützt seit vielen Jahren unterschiedliche Projekte auf der ganzen Welt, um vor allem Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Milieus bessere Zukunftschancen zu ermöglichen.

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Chancenreicher IPO von ayondo

Von Dr. Oliver Everling | 12.Oktober 2017

Die Financial Technology Gruppe ayondo ist auf bestem Wege, das erste börsengelistete FinTech-­Unternehmen in Singapur zu sein. Umgesetzt wird das Börsenlisting durch ein Initial Public Offering (IPO) anstatt eines Reverse Takeovers (RTO), wie Mitte 2016 bekannt gegeben. Der  Prozess des RTOs wurde im September beendet, da bestimmte Bedingungen nicht von dem  Vertragspartner ayondos erfüllt werden konnten.

Robert Lempka, CEO der ayondo Gruppe sagt: „Das Ende des RTO-Prozesses macht den Weg für ein Initial Public Offering (IPO) frei. Die Vorbereitungen für einen RTO und einen IPO gestalten sich in Singapur fast identisch, daher konnte das  Börsenlisting auf Anfang 2018 terminiert werden.“

Weitere, in den Prozess involvierte Parteien, wie UOB Kay Hian Private Limited, als Sponsor der Transaktion, und die Börse Singapur (Singapore Exchange Limited), unterstützen ayondo auch zukünftig im Rahmen des IPOs.

Im November 2017 ist CEO  Robert Lempka in Singapur als Gastredner des dortigen FinTech Festivals eingeladen. „Wir sind stolz, Teil dieser aufregenden FinTech-Szene in Singapur sein zu dürfen und können den Moment unseres Börsengangs kaum abwarten“, ergänzt Lempka.

Vor einem Monat hat die ayondo Gruppe die Aktivierung der Portfolio Management Lizenz der BaFin bekanntgegeben. ayondo ist die erste FinTech Firma, die ihre Dienste unter dieser BaFin-Lizenz anbietet.

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Wetterfrösche springen in die Bundesbank

Von Dr. Oliver Everling | 9.Oktober 2017

Die Warnung der Bundesbank vor Klimarisiken ist nicht die erste Warnung, schreibt Dr. Ulrich Horstmann im Financials Explorer des BayernLB Research. „Das Thema gewinnt aufsichtsrechtlich an Relevanz. Für die Finanzbranche, die seit Jahren mit einer Vielzahl neuer Regulierungen konfrontiert ist, kommt dieser Schritt zwar nicht überraschend. Mit ihm stellen sich aber grundsätzliche Fragen. Besteht die Gefahr einer Überregulierung? Sind Versicherer (und Banken) nicht in der Lage, erhöhte Risiken durch den Klimawandel und die politischen Handlungsfolgen zu erfassen? Ist der Hinweis aus der Bundesbank zur Sicherung der finanziellen Stabilität notwendig?“

Das Thema ist nicht neu – schon längst haben sich manche Vorstandsmitglieder von Versicherungen zu Wetterfröschen entwickelt. „Jetzt kann auch die Bundesbank zumindest darauf verweisen, dass sie – bislang noch ohne regulatorische Folgen – auf die Herausforderungen durch den Klimawandel öffentlichkeitswirksam hingewiesen hat. Neue Regulierungsvorschriften sind aber“, warnt Horstmann, „nicht ausgeschlossen. Wie bei anderen Regulierungsthemen könnten diese die Selbstregulierungsfähigkeit der Branche allerdings einschränken. Marktwirtschaftliche Preisfindungsprozesse könnten zu weit durch politische Vorgaben und Kontrolle ihres Vollzuges ersetzt werden.“

Angesichts der langjährigen Klimaexpertise vor allem von Rückversicherer wird der Risikohinweis der Bundesbank innerhalb der Branche, vermutet Horstmann, keine nennenswerten Risikoadjustierungen auslösen. Klimakatastrophen (v.a. in ärmeren Regionen) habe es schon immer gegeben. „Sie waren aber häufig bilanziell weniger relevant, da nur in höherentwickelten Regionen der Erde überhaupt ein Versicherungsschutz besteht. Insofern ermöglichen der Aufstieg der Schwellenländer und die steigenden Schäden durch den Klimawandel für die Versicherungsbranche ein höheres Wachstum, das sogar eine profitable Geschäftsausweitung verspricht. Mit jeder neuen Katastrophe – die diesjährige Hurrikansaison wird dies wieder zeigen – sind Versicherer in der Lage, Tarife nach oben anzupassen.“

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Coface sieht Weltwirtschaft in Fahrt

Von Dr. Oliver Everling | 9.Oktober 2017

Aufgrund der Stimmungsaufhellung im Welthandel und positiver lokaler Entwicklungen hat der internationale Kreditversicherer Coface einige Länder- und Branchenbewertungen verbessert. So wurden Ungarn (jetzt A3), Finnland (A2), Zypern (A4) und Weißrussland (C) heraufgestuft. Bei den Branchen, die Coface immer auch geografisch differenziert, gibt es Verbesserungen unter anderem für das verarbeitende Gewerbe, die Metall- und Automobilindustrie, die Informations- und Kommunikationstechnologie sowie die Agrar- und Nahrungsmittelindustrie in einzelnen Weltregionen.

Die Genesung der Weltwirtschaft schreitet nach Einschätzung von Coface mit einem stärker als am Anfang des Jahres erwarteten Wachstum im Welthandel fort. „Europas Wirtschaft hat Schwung aufgenommen. Die politischen Risiken, auch wenn sie nicht verschwinden, schwächen sich ab. Positive Entwicklungen sind auch in Brasilien und Russland zu verzeichnen, während Kapitalzuflüsse in einigen Schwellenländern Fahrt aufnehmen“, erklärt Coface-Economist Dr. Mario Jung zum Länder- und Branchen-Barometer für das dritte Quartal 2017.

Aufgrund dieser positiven Trends hat Coface einige Länderbewertungen verbessert. Für Ungarn konstatieren die Volkswirte eine lebhafte Wirtschaftsaktivität, unterstützt vom Haushaltskonsum und neuen Investitionen. Diese werden auch angeregt von EU-Geldern. Finnland weist ermutigende Aussichten in Bezug auf Unternehmensinsolvenzen vor. Diese sind 2016 um 6 Prozent gefallen und bereits in der ersten Hälfte von 2017 um weitere 19 Prozent. Das Wachstum steigt weiterhin aufgrund des günstigen außenwirtschaftlichen Umfelds. Für 2017 werden 1,3 Prozent erwartet, 2018 dann 1,7 Prozent. Zypern registriert ein dynamisches Wachstum und hat die Kontrolle über die eigenen Banken- und öffentlichen Finanzsektoren verbessert. Weißrussland profitiert von der erhöhten Aktivität in Russland und Europa, was die Exporte und den Haushaltskonsum stimuliert.

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