Bankenregulierung bringt Börsenchaos
Von Dr. Oliver Everling | 8.Januar 2016
Die Heftigkeit der Abwärtsbewegungen der chinesischen Festlandsbörsen in den ersten Handelstagen des jungen Jahres hat auch die europäischen und US-Börsen negativ beeindruckt – seither dominiert eine Abwärtsspirale aus Vertrauensverlust und Verkaufsdruck.
„Börsianer bezeichnen Marktphasen, in denen plötzlich die rosarote durch eine trübe Brille ersetzt wird, als Regimewechsel“, bemerkt Thomas Böckelmann, Investmentchef der EuroSwitch, in einem aktuellen Kommentar. ‚Irgendein Ereignis‘ begründe das Phänomen, dass vormals positiv gedeutete Informationen jetzt negativ bewertet werden und dass sogar unzweifelhaft positive Nachrichten völlig ignoriert werden. So seien die wichtigen Einkaufsmanagerdaten der Eurozone, die in dieser Woche auf eine weitere Stabilisierung des Wachstums deuteten, in ihrer sonst positiven Wirkung komplett verpufft.
Nach Ansicht von Böckelmann sei nichts passiert, was eine fundamentale Neubewertung der Risiken an den Kapitalmärkten rechtfertigen würde. Zwar sei China sehr wichtig – die von Privatanlegern dominierten Inlandsbörsen aber für ihre Schwankungen bekannt und auch dafür, dass Administration sowie Anleger bestimmte Marktmechanismen erst „erlernen“ müssten. Der Konflikt Saudi-Arabien – Iran oder die Entwicklung in Nordkorea seien ebenfalls nicht wirklich neue Bedrohungen. „Wir erachten es zudem als widersprüchlich, wenn einerseits der Nahost-Konflikt als wichtiger Katalysator genannt wird, andererseits aber der Ölpreis als Fieberthermometer der Spannungen in der Region weiter und weiter fällt“, stellt der Fondsmanager fest.
Somit scheine die Ursache für die Marktverwerfungen zunächst im Jahreswechsel an sich begründet. Die Tatsache, dass sich die Anzahl der Terminkontrakte auf fallende Kurse in vielen Marktsegmenten auf Höchstständen befinde, deute laut Böckelmann auf Marktteilnehmer, die die ruhige Phase des Jahresanfangs nutzen wollen, um gezielt die Kurse in eine Richtung zu bringen. Ein Phänomen, das seit Beginn der Finanzkrise häufiger zu beobachten sei und sich nach Meinung des Experten leider verstärke. Mitverantwortlich dafür seien auch Politik und Regulierer, die faktisch die Eigenhandelsabteilungen der großen Banken geschlossen haben. Somit fallen diese als wichtiges Marktkorrektiv aus.
„Auch wenn wir zunächst die Markttechnik als Ursache der aktuellen Entwicklungen vermuten, so ist die potenzielle Gefahr nicht zu unterschätzen“, mahnt Thomas Böckelmann. Derartig heftige Verwerfungen könnten schnell zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden, in dem sie der Realwirtschaft das Vertrauen entziehen. In einer Phase eines nur moderaten Wachstums sei das keine günstige Ausgangssituation.
Dennoch gebe es aus heutiger Sicht die Hoffnung, dass die Unternehmensdaten, die ab nächster Woche sukzessive veröffentlicht werden, für eine Entspannung sorgen könnten. „Viel Toleranz für Enttäuschungen, wie für die von Apple vor wenigen Tagen angekündigte Produktionskürzung, gibt es jedoch nicht.“
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Keine Sicherheitsgarantie bei ETFs
Von Dr. Oliver Everling | 8.Januar 2016
„Das Risiko eines globalen Zusammenbruchs bei Unternehmensanleihen ist zwar nicht hoch, doch Investoren sollten sich der Gefahren bewusst sein“, sagt Simon Fasdal, Head of Fixed Income bei der Saxo Bank.
Dabei spiele die US-Zinsanhebung eine entscheidende Rolle. „Sollten die Zinsen aggressiver ansteigen als allgemein erwartet, könnte das zu einer Ausverkaufswelle bei Unternehmensanleihen führen“, sagt Fasdal.
Eine weitere Gefahr an den Anleihemärkten sei die aktuell geringe Liquidität. „Dies könnte zu einer ähnlichen Situation führen wie 2008, als die Kreditmärkte vor dem Beginn der Finanzkrise kollabierten“, sagt Fasdal. Die extrem billigen Zinsen hätten einen explosionsartigen Anstieg bei der Ausgabe von Unternehmensanleihen verursacht. „Es scheint, dass der aktuelle Markt sogar zu symmetrisch ist und vielleicht dadurch etwas anfällig und fragil ist“, sagt Fasdal.
Deshalb sei beim Handel von ETFs und anderen Finanzprodukten Vorsicht angeraten. „Insbesondere wenn die gehandelten Vermögenswerte in Unternehmensanleihen investiert sind“, sagt Fasdal abschließend.
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Anleihemärkte als Stabilisatoren
Von Dr. Oliver Everling | 4.Januar 2016
Wenn die Zinsen bei nahe null sind und dort verharren, sind die Anleiheerträge auch nahe null. „Dies war vergangenes Jahr durchgängig der Fall. Trotzdem war viel Bewegung im Markt,“ schreibt Klaus Martini, Geschäftsführer Plückthun Asset Management in seinem Jahresrückblick, „ausgelöst von wechselnden Faktoren – mal war es China, mal war es eine starke US-Wirtschaft, mal waren es die Aussagen der Fed.“
Manche zinstragende Papiere verloren sogar deutlich an Wert. Die Ölproduzenten in den USA leiden stark unter dem niedrigen Ölpreis; sie sind häufig mit sogenannten High-Yield Anleihen finanziert. „Dort gab es nicht nur dramatische Kursverluste, sondern auch Ausfälle durch Pleiten. Generell waren jene Sektoren im Anlagebereich im vergangenen Jahr unter Druck, die sich in den Jahren zuvor besonders gut entwickelt hatten. Das gilt insbesondere für Schwellenländer-Anleihen. Dort zogen die Anleger bedeutende Summen ab, mit der Konsequenz fallender Kurse.“
Klaus Martini will weitestgehend ausschließen, dass die Zinsen im Jahr 2016 fallen und somit Kursgewinne bei zinstragenden Papieren auftreten. „Aufgrund der US-Zinswende und der Tatsache, dass die EZB wohl weitgehend ihr Pulver in Sachen Zinssenkungen verschossen hat, gehen wir davon aus, dass mit steigenden Fed-Zinssätzen auch die Anleiherenditen steigen werden. Das bedeutet, dass sich zwar die laufende Verzinsung erhöht, allerdings werden auch Kursverluste auf bestehende Portfolios zu verzeichnen sein. Anleiheportfolios werden im Jahre 2016 zwar keine hohen Beiträge zur Wertentwicklung liefern, bleiben aber in diesen unsicheren Zeiten ein wertvoller Stabilisator.“
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Höchste Gefahrenstufe am US-Markt für Hochzinsanleihen
Von Dr. Oliver Everling | 4.Januar 2016
Jupiter Asset Management Limited ruft für den US-Markt für Hochzinsanleihen die höchste Gefahrenstufe aus. In den letzten Wochen wurde viel über eine Reihe von US-Fonds geschrieben, die die Rücknahme von Anteilen ausgesetzt haben. Daneben waren erhebliche Mittelabflüsse aus Fonds für US-Hochzinsanleihen zu beobachten. „Uns bereitet dieser Markt schon länger Sorge, weshalb wir dort nur begrenzt engagiert sind“, schreibt Jupiter. Darüber hinaus sorgen sich die Analysten seit einiger Zeit darum, dass der anhaltende Druck, unter dem Unternehmensanleihen in den Schwellenmärkten und den USA stehen, auch den europäischen Markt erfassen könnte. „Aus diesem Grund haben wir unser Exposure gegenüber europäischen Hochzinstiteln reduziert, generell die Qualität unseres High-Yield-Portfolios verbessert sowie kürzer laufenden Papieren eine klare Präferenz eingeräumt.“ In den Schwellenmärkten haben sich die Unternehmensbilanzen aufgrund einer erneuten massiven Schuldenaufnahme zuletzt verschlechtert, stellt Jupiter fest, und viele der Schwellenländer sind in Schwierigkeiten geraten. „Wir sind überzeugt, dass in einem Großteil der Länder die Probleme noch länger bestehen könnten, und halten uns daher von diesem Segment weitgehend fern.“
Der Kreditzyklus in Europa sei etwas weniger fortgeschritten. Die dortigen Bilanzen seien deshalb generell in einer besseren Verfassung. „Folglich geben wir europäischen Unternehmensanleihen weiter den Vorzug. Doch selbst hier nimmt das unsystematische Risiko allmählich zu. Der spanische Energiekonzern Abengoa (in dem wir nicht engagiert waren) ist ein besonders aktuelles Beispiel dafür, wie in Europa die ersten kleinen Probleme entstehen.“
Das zweite große Risiko für Unternehmensanleihen gehe von der Liquidität aus. Die Investmentbanken können in dieser Hinsicht aus regulatorischen Gründen schlichtweg nicht mehr die Schützenhilfe leisten wie früher. „Somit“, folgert Jupiter, „ist in dieser späten Phase des Kreditzyklus Vorsicht geboten, zumal die Fed ihre Geldpolitik noch weiter strafft. Den starken Dollar in Kombination mit der in den USA endenden quantitativen Lockerung beurteilen wir klar als Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung.“
Durch die jüngsten Ereignisse sehen sich die Fondsmanager in ihrem Doppel- bzw. Hantel-Ansatz bei Anleihen bestätigt. „Unsere Top-Picks im Hochzinsbereich (primär High-Yield-Titel aus Europa) kombinieren wir dabei mit Unternehmensanleihen der Bonität Investment Grade und einer substanziellen Position in erstklassigen Staatsanleihen, wie zum Beispiel US-Treasuries sowie australische und neuseeländische Titel.“
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Wohin geht die Reise?
Von Dr. Oliver Everling | 31.Dezember 2015
„Die Grenzen des Wachstums“ sind seit den 1970er Jahren ein Begriff. Die im Auftrag des Club of Rome erstellte und von der VolkswagenStiftung finanzierte Studie „Die Grenzen des Wachstums“ wurden im Rahmen des St. Gallen Symposiums 1972 der Öffentlichkeit vorgestellt und bewegt seither international eine Kontroverse um Wachstumsziele und Ressourcenverschwendung.
Inzwischen liegt eine globale Prognose bis 2052 vor: Jorgen Randers veröffentlichte 2012 im oekom Verlag einen neuen Bericht an den Club of Rome, genau 40 Jahre, nachdem „Die Grenzen des Wachstums“ erschienen, die so nachhaltig die Diskussion insbesondere um wirtschaftspolitische Zielsetzungen beeinflussten.
Mit seinem neuesten Buch greift Dr. Ulf Gerlach geschickt die Fragen auf, die zwar damals schon aufgeworfen, aber bis heute nicht befriedigend beantwortet wurden und daher wohl nur ansatzweise zu nachhaltigen Verhaltensänderungen führten: „Wohin geht die Reise?: Gesellschaftskritische Streifzüge im grenznahen Bereich“ (Edition Octopus).
Obwohl der Untertitel des Buches eher ein Sachbuch erwarten lässt, trifft der Leser auf eine Erzählung in Ich-Form eines fiktiven Lehrers aus Berlin. Die Wahl der Handelnden sowie der Ort des Geschehens sind kein Zufall, ist doch Berlin weltberühmt für seine einstige Grenze bzw. Mauer, die Touristen aus aller Welt in großer Zahl jeden Tag anzieht.
Der 1987 am Brandenburger Tor ausgerufene Appell von Ronald Reagon an „Mr. Gorbatchev, tear down this wall!“, wurde 1989 Realität. Damit fiel nicht nur eine Mauer zwischen Ost- und Westberlinern, eine Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland, sondern auch die Grenze für ein Wirtschaftssystem, das sich zentralverwaltungswirtschaftlichen Diktaturen als überlegen erwies. Die Freiheit brachte aber in vielen Ländern auch die Übernahme des „American Way of Life“, der einem stereotypen Muster von Wohlstandszielen folgt. „Derzeit ist die deutsche Bewunderung für die USA als Musterland der Demokratie und Verfechterin von Freiheit und Toleranz, der Mythos, beschädigt“, schreibt Gerlach.
Mit der Frage „Wohin geht die Reise?“ stellt Gerlach den Leser auf die Probe. Wer auf diese Frage automatisch eine Antwort mit Reisezielen in fernen Ländern erwartet, denkt möglicherweise eher grenzenlos, denn die Überwindung von Grenzen ist bei Fernreisen eine Selbstverständlichkeit, wie auch der damit verbundene Ressourceneinsatz. Gerlach liebt die Wortspiele, Konnotationen und Assoziationen.
Das Buch von Gerlach ist nicht normal: Auf 321 Seiten gelingt es dem Autor, nicht nur eine Geschichte zu erzählen, sondern auch zugleich ein Sachbuch zu schreiben. Originell ist auch seine Idee, den Leser auf den letzten Seiten des Buches mit einem „alternativen Inhaltsverzeichnis“ unter der Überschrift „Wenn die Urlaubstage verschmelzen und die wahren Inhalte der Erlebnisse deutlich werden“ zu überraschen. Während das Inhaltsverzeichnis zu Beginn des Buches eine bloße Urlaubserzählung vorspiegelt, geordnet nach Urlaubstagen, kommt am Schluss heraus, dass sich Gerlach einer stringenten Logik bediente.
Es geht um die gespaltene Gesellschaft, die persönliche Leistungsfähigkeit, die Grenzen des materiellen Mehrwerts für das Individuum, die Grenzen des geordneten menschlichen Miteinanders, den Umgang mit Gesetzen, Konventionen und biologischen Grenzen, gesellschaftliche, politische, ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungen, eine Aufforderung zum Umdenken und um den Aufbruch zu neuen Ufern.
Das Buch beeindruckt außerdem mit eingestreuten „Urlaubsfotos“, für die Gerlach die anspruchsvolle Fotografin Melanie John gewinnen konnte. Schade nur, dass die Aufnahmen auf das Format des Buches beschränkt bleiben. Der Leser würde sicher oft gerne in die erstklassigen Bilder „hineinzoomen“, um die Farbfotos in ihrer vollen Ausdruckskraft zu genießen.
Gerlach ist schon aus seinen früheren Buchveröffentlichungen für seine Gründlichkeit und Sorgfalt bekannt, mit der er jedes Detail seiner Darstellungen recherchiert und reflektiert. „Nicht normal“ ist daher auch sein umfassendes Literaturverzeichnis von 25 Seiten, die jede Erwähnung genau belegen, obwohl natürlich die Geschichte insgesamt fiktiv ist.
Dem Autor kommt seine Beobachtungsgabe zugute, wenn er die Lebensgewohnheiten von den vielen verschiedenen Berlinern beschreibt. Der Leser erfährt, wie immer wieder Grenzen überschritten und Menschen zugleich auch immer wieder Grenzen aufgezeigt werden oder an Grenzen stoßen.
Gerlach drängt den Leser nicht in eine bestimmte politische oder gar religiöse Richtung. Er befasst sich mit den Phänomenen unserer Zeit frei von jeder obskuren Esoterik. „Ständiges Wachstum ist irgendwie uncool geworden, da scheinen sich Kirchen, Gewerkschaften, Umweltschützer und sonstige Organisationen einig zu sein.“
„Unsere Überflussgesellschaft kreiert nicht nur Probleme, nein, sie bietet uns zugleich Lösungen an“, warnt Gerlach vor vorschnellen Schlüssen, mit der Abstellung von Wachstumszielen bereits Glück für alle zu bewirken.
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USA blenden mit Leitzinserhöhung
Von Dr. Oliver Everling | 28.Dezember 2015
Schwächeres Wachstum in den USA und in China, ungelöste strukturelle Probleme in den Schwellenländern, eine leichte Erholung in Japan und Stagnation im Euroraum: Die FERI-Konjunkturprognose rechnet mit unverändert schwierigen Rahmenbedingungen für die Weltwirtschaft im Jahr 2016.
China fällt als Zugpferd der globalen Konjunktur vorerst aus. In der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sollen Reformen den privaten Konsum stärken und das Land unabhängiger vom Außenhandel machen. Die chinesische Führung räumt dem Umbau der Wirtschaft Priorität ein, analysieren die Experten bei der FERI Gruppe in Bad Homburg. Folgerichtig wurde das Wachstumsziel für das Jahr 2016 nach unten revidiert. Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft dürfte 2016 damit wie schon 2015 unter der Marke von 7 Prozent bleiben. Den geringeren chinesischen Bedarf nach Energie und Rohstoffen bekommen insbesondere die Schwellenländer zu spüren. Dort wird das Wachstum 2016 mit etwa 4 Prozent kaum höher liegen als im Jahr 2015.
Nicht blenden lassen sollte man sich von der jüngsten Leitzinserhöhung in den USA. Mit dem Zinsschritt solle Stärke signalisiert werden. Gleichwohl deuten etliche Konjunkturdaten eher auf eine geringere Wachstumsdynamik hin. „Der starke Dollar und die schwächere Nachfrage aus den Schwellenländern setzen den exportorientierten Wirtschaftszweigen zu. Der niedrige Ölpreis wirkt zwar positiv auf den privaten Verbrauch, dem stehen jedoch sinkende Unternehmensgewinne und geringere Investitionen gegenüber“, erläutert Axel D. Angermann, Chefvolkswirt von FERI.
Das Wachstum der US-Wirtschaft wird nach Ansicht von FERI im kommenden Jahr voraussichtlich kaum über die 2-Prozent-Marke hinauskommen. Es sei vor diesem Hintergrund nicht davon auszugehen, dass die amerikanische Zentralbank die Zinsen schnell weiter anheben und damit die Zinswende nachhaltig vollziehen wird.
„Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt, die USA und China, verlieren an Dynamik. Wichtige Schwellenländer wie Russland und Brasilien stecken weiterhin in der Rezession, und das magere Wachstum im Euroraum bietet keine hinreichende Kompensation“, fasst Angermann die Eckpunkte der FERI-Konjunkturprognose für das Jahr 2016 zusammen. Von der Abkühlung der globalen Konjunktur sei auch das Exportland Deutschland betroffen. Dass es hier im nächsten Jahr bei einem unveränderten Wachstum von 1,6 Prozent bleibe, sei der relativ robusten binnenwirtschaftlichen Nachfrage geschuldet. Diese beruht zum Teil allerdings auf dem Zustrom von Migranten und ist daher nicht nachhaltig, weil sie tendenziell staatliche Transfers stärkt und nicht private Investitionen. Dies schlägt sich auch in verhaltenen Wachstumsaussichten für die deutsche Industrie nieder, die ihre Produktion 2016 erneut nur um etwa 1 Prozent wird steigern können. Besonders auffällig und zugleich ein Warnsignal: Die Produktion der deutschen Autoindustrie wird 2016 das hohe Niveau des Jahres 2015 nicht halten können und leicht schrumpfen. Positiv sind dagegen die Wachstumsaussichten für das Baugewerbe und für eine Reihe von Dienstleistungssektoren.
Erhebliche Unsicherheiten bestünden im Euroraum weiterhin durch die Geldpolitik der EZB. „Die europäische Wirtschaft befindet sich bereits jetzt in einem quasi-japanischen Szenario, in dem immer neue geld- und fiskalpolitische Expansionsrunden ein moderates Wachstum herbeizwingen, das ohne diese Maßnahmen keinen Bestand hat“, so Angermann. Mit weiteren geldpolitischen Lockerungen sei zu rechnen. Dabei werde die EZB mit einer Preissteigerungsrate von voraussichtlich 0,5 Prozent vermutlich auch im nächsten Jahr die selbst gesteckten Inflationsziele deutlich verfehlen.
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Europäische Finanzmarktregulierung
Von Dr. Oliver Everling | 23.Dezember 2015
Dieses Buch von Ralf Temporale macht Hoffnung: „Europäische Finanzmarktregulierung: Handbuch zu EMIR, MiFID II / MiFIR, PRIIPs, MAD / MAR, OTC-Derivaten und Hochfrequenzhandel“ hat mit 296 Seiten einen Umfang, der erwarten lässt, dass man sich seines Inhalts vollständig bemächtigen kann.
Die meisten Bücher, so zeigen einschlägige Untersuchungen, werden nicht annährend zur Hälfte von ihren Käufern gelesen. Das dürfte insbesondere für solche Titel gelten, die sich mit so schwierigen und überwiegend trockenen Themen wie der Regulierung zu EMIR, MiFID usw. befassen. Die europäische Finanzmarktregulierung ist alles andere als ermutigend, sich über diese einen vollständigen Überblick zu verschaffen – schon quantitativ ein kaum aussichtsvolles Unterfangen.
So kann sich auch das Buch von Temporale nur mit einigen Schwerpunkten befassen. Im Vordergrung stehen die Bausteine der zweiten Reguliuerungswelle: Kapital- und Liquiditätsausstattung, Sanierung und Abwicklung, Risiko- und Governancefunktionen, Kapitalmarktreformen, Erhöhung des Verbraucherschutzes, gemeinschaftlicher Bankaufsichtsmechanismus sowie Transparenz- und Meldeanforderungen.
Thomas Wenzel und Benedikt Coridaß geben einen Überblick zur Novellierung der Markets in Financial Instruments Directive. Unabhängige Anlageberatung, Kostentransparenz, Zuwendungen, Produktgovernance, Produktintervention und Aufzeichnungspflicht stehen im Zeichen des Anlegerschutzes. Die Autoren befassen sich mit marktbezogenen Themen ebenso wie mit Fragen nach der Governance.
Dominik Dreyer zeigt die Pflichten auf dem Weg von der Orderannahme bis zur Oderausführung auf: Pflicht zur Telefonaufzeichnung, verpflichtete Personen und Aufklärungspflicht, technische Herausforderungen, elektronische Kommunikationsmedien, Speicherung, Archivierung und Zugriff auf Daten, private Kommunikationsmittel usw. Dreyer dikutiert den Einfluss auf das Kundenverhältnis ebenso wie die Chance, die in der Aufzeichnungspflicht liegt. Mit Pantaleon Delgado-Rodriguez geht Dreyer in einem weiteren Beitrag auf On Venue Trading und die Zukunft des OTC-Handels nach MiFID II ein. Mit MiFID II müssen sich übrigens nicht nur Anlageberater befassen, sondern auch Anbieter von beratungsfreiem Geschäft sowie „Execution Only“-Pattformen.
Wer wissen will, was im Hochfrequenzhandel noch erlaubt ist, findet in diesem Buch ebenso Antworten wie derjenige, der ins Commodity Trading einsteigt und sich über Position Limits, Positionsmanagementkontrollen und Positionsreporting informieren will.
Marcus Wahlster und Christian Müller skizzieren die neue Finanzmarktinfrastruktur unter EMIR und ihre Wirkung auf die Marktteilnehmer. So werden die neuen Sprachregelungen der Legal Entity Identifier (LEI) und die autorisierten Local Operating Units (LOUs) aufgelistet und die Codes erläutert, wie auch der Unique Product Identifier (UPI) vorgestellt wird.
Die strategischen Implikationen aus EMIR werden nicht nur mit Blick auf die Geschäftsmodelle von Banken (durch Pascal Stock und Christian Müller), sondern auch auf dasTreasury von Industrieunternehmen (durch Roger Disch und Patrick Arcon) diskutiert. Das Buch schließt mit u.a. Beiträgen über Marktmanipulation im Sinne der MAD II, über Neuerungen bei der Produktbeschreibung unter PRIIPs sowie über Herausforderungen bei der Implementierung von Lösungen für Kundenreporting am Beispiel von MiFID II Inducement Reporting.
Wer glaubt, nach der Lektüre des Buches die europäische Finanzmarktregulierung vollständig verstehen zu können, macht sich auf einen hoffnungslosen Weg, denn dieser würde durch alle 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union führen müssen. Außerdem wird z.B. auf die Regulierung der Ratingagenturen nicht weiter eingegangen. Daher kann nur der aktuelle Abschnitt des Weges zur Schaffung eines einheitlichen Aufsichtsrahmens bewältigt werden. Als Praxiswerk eignet sich das Buch, sich einen Überblick über die Regelungsinhalte von EMIR, MiFID II/MiFIR, PRIIPs und MAD/MAR sowie die Regelungen über OTC_Derivate und den Hochfrequenzhandel zu verschaffen.
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Bankbilanzanalyse am Beispiel
Von Dr. Oliver Everling | 23.Dezember 2015
Thomas Padbergs „Bankbilanzanalyse: Am Beispiel börsennotierter deutscher Banken“ ist nicht lediglich eine neue Auflage mit Schönheitskorrekturen der vorhergehenden Auflagen, sondern eigentlich ein völlig neues Buch: Indem der Autor aktuelle Bankenbeispiele in den Mittelpunkt seiner Analyse stellt, liefert Padberg anhand völlig neuen Zahlenmaterials einen runderneuerten Einblick in die Methoden und Kriterien der Untersuchung von Bankbilanzen.
Das Buch mündet nicht in einer Anleitung zur Anfertigung eines Bankenratings, sondern begrenzt sich auf die Auswertung des wichtigsten Informationsinstrumentes jedes Bankanalysten, namentlich auf die Jahresabschlussdaten nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS. Padberg warnt jedoch davor, aufgrund der Anwendbarkeit von IFRS seit 2005 in allen Staaten der EU zu folgern, regionale Unterschiede würden fortan keine Bedeutung mehr haben.
Padberg befasst sich mit der Notwendigkeit einer spezifischen Bankbilanzanalyse, den Rechnungslegungsvorschriften nach IFRS und deren bankbilanzanalytischen Implikationen, der Analyse von Segmentberichterstattung und Kapitalflussrechnung, der Aubereitung des Jahresabschlüsse (Standard-Bilanz und Standard-GuV nach den International Accounting Standards), den Einzelpositionsanalysen, der Ergebnis-, der Eigenkapital-, der Rentabilitäts- und der Risikoanalyse.
Padberg zeigt auf, wie der Erfolg einer Bank u.a. von den Hebeleffekten bestimmt wird, die aus dem kombinierten Einsatz von Eigen- und Fremdkapital resultieren. Wie schwierig es ist, diese zum Vorteil von Bankaktionäre zu nutzen, meint Padberg bei den Veränderungen der Kapitalkostenstruktur bei der Deutschen Bank zu sehen: „Als Beispiel für eine solche Entwicklung lässt sich das Rating der Deutschen Bank heranziehen, das abgesenkt wurde, wodurch sich der Fremdkapittalzins erhöhte und damit die Eigenkapitalrentabilität nicht so stark anstieg wie erhofft oder sogar abfiel.“
Wenig schmeichelhaft für die betroffenen Institute deckt Padberg ihre aktuellen Ergebnisqualitäten auf: „Bei der Commerzbank, der HypoVereinsbank und der Postbank ist das hier ermittelte operative Ergebnis sogar negativ. Der Grund ist jeweils in der Risikovorsorge zu sehen, die kalkulatorisch verwendet wird. Alle drei Banken haben somit nur durch außerordentliche Einflüsse in 2014 positive Ergebnisse ausgewiesen!“
Padberg zeigt die Grenzen der Bankbilanzanalyse auf, zum Beispiel, wenn es um das Handelsergebnis geht: „Als Ergebnis muss festgehalten werden, dass das Handelsergebnis stark beeinflussbar ist, was aufgrund der besonderen Bedeutung unbefriedigend ist. Neben den Möglichkeiten durch die Verteilung der Refinanzierungskosten besth weiterhin die Option, durch einen Liquidtätsabschlag das Handelsergbnis zu beeinflussen. Eine Stnardisierung der Angabepflichten ist deshalb auch in diesem Bereich erforderlich.“
Das Buch von Padberg liefert daher für mehrere Zielgruppen praktischen Nutzen: Für die betroffenen Banken, um die unabhängige Sichtweise eines externen Bankanalysten zu verstehen; für Investoren und institutionelle Gläubiger, um ihren Pflichten zur eigenen Urteilsbildung nachzukommen; für Analysten von Ratingagenturen, denn jedes Rating fusst auf insbesondere auf Bilanzanalyse. Darüber hinaus sind aber auch die Bankenaufsicht und die Politik angesprochen, denn die mangelnde Transparenz und unzureichende Standardisierung resultiert aus den in sich widersprüchlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Bankgeschäftstätigkeit heute gestellt ist.
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Asset Management Rating AA (AMR) für CFB
Von Dr. Oliver Everling | 22.Dezember 2015
Die sehr gute Performance der Fonds im Bereich erneuerbarer Energien sowie die gute Diversifizierung der AuM über die Asset Klassen Immobilien, erneuerbare Energien, Schiffe sowie Flugzeuge sind aus Sicht von Scope maßgebliche Faktoren für dieses Rating.
Die Commerz Real Fonds Beteiligungsgesellschaft mbH (CFB) ist eine Investment und Asset Management Gesellschaft, die seit 1976 am deutschen Markt aktiv ist. Das Produktangebot im Bereich unternehmerischer Beteiligungen umfasst die Anlagesegmente Immobilien, Schiffe, (erneuerbare) Energien und Flugzeuge. Als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Commerz Real AG ist die CFB in den Konzern der Commerzbank AG integriert. In diesem Zusammenhang fungiert sie als rechtlich selbständige Einheit sowie als Marke insbesondere für geschlossene Sachwertinvestments.
Scope Ratings bescheinigt der Commerz Real Fonds Beteiligungsgesellschaft mbH (CFB) mit einem Rating von AAAMR eine sehr hohe Qualität im Asset Management. Positiv beeinflusst wurde das Ratingurteil durch die starke institutionelle Einbindung der CFB in die Commerz Real AG und somit die Commerzbank AG (Scope ICSR zum Vorjahr um eine Notenstufe auf A- herauf gestuft, Outlook stable). Die sehr hohe Branchenexpertise und trotz personeller Änderung langjährige Unternehmenskontinuität des Managements tragen zu der Qualitätseinschätzung bei.
Die Gesellschaft überzeugt im Bereich Immobilien mit umfassender Inhouse-Kompetenz, die sich über die gesamte Wertschöpfungskette erstreckt. Hervorzuheben ist des Weiteren die vorgehaltene hohe technische Kompetenz im Bereich erneuerbarer Energien und Schiffe. Die im Flugzeugleasing Bereich bestehende Expertise kann die CFB erfolgreich in renditeorientierte Eigenkapitalprodukte überführen. Mit einem ersten KAGB-konformen geschlossenen Publikums-AIF investiert das Unternehmen in ein langjährig etabliertes Langstreckenflugzeug des Herstellers Boeing.
Das Rating wird limitiert durch Fremdwährungs- und Mieterrisiken in den Immobilienportfolien sowie der andauernden Underperformance der Asset Klasse Schiffe. Beide Bereiche stellen eine kurz- bis mittelfristige Herausforderung im Asset Management dar, welcher CFB nach Einschätzung von Scope jedoch angemessen gegenüber tritt; belegt etwa durch Performancestabilisierung bei einigen Schiffsbeteiligungen.
Mit Einführung des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) hat die Commerz Real entsprechende strategische und organisatorische Anpassungen vorgenommen. Die CFB ist nunmehr für das Management und die Administration von Bestandsfonds verantwortlich. Den Bereich KAGB-konformer Sachwertinvestments in Publikums- und Spezialfonds-Vehikeln gestaltet die Commerz Real AG mit der Commerz Real Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH unter dem Markenauftritt CFB-Invest. Es ist vorgesehen, dieses Asset Management Rating (AMR) für die CFB in ein Gesamt-AMR für die Commerz Real Gruppe zu überführen, um diese strategischen und organisatorischen Anpassungen angemessen darzustellen.
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Tendenz in Richtung Abstufung
Von Dr. Oliver Everling | 16.Dezember 2015
Der internationale Kreditversicherer Coface untersucht regelmäßig 14 Branchen in drei großen Regionen der Welt: EU 15, Nordamerika und Emerging Asien. Diese Regionen machen 73 Prozent des globalen BIP aus. Für neun der Branchen änderte Coface im Laufe des Jahres 2015 die Einstufung. Die Tendenz ging in Richtung Abstufung. „Für ein Drittel der Branchen sehen wir jetzt ein hohes oder sehr hohes Risiko, und dabei ist keine Region ausgenommen“, sagt Coface-Economist Paul Chollet.
Westeuropa ist die am stärksten angeschlagene Region, in der Coface derzeit keine der untersuchten Branchen in „niedriges Risiko“ einstuft. Global betrachtet ist der Metallsektor derzeit die riskanteste Branche. Metall stuft Coface in Emerging Asien und nun auch in Westeuropa in „sehr hohes“ Risiko ein. Der größte Verlierer 2015 war die Energiebranche in den USA. Sie wurde gleich zweimal innerhalb eines Jahres herabgestuft. Gründe dafür waren hauptsächlich die drastischen Investitionskürzungen und die hohe Verschuldung von Unternehmen im Förder- und Produktionsbereich. Hier schlugen die niedrigeren Ölpreise durch.
In den im vierten Quartal erneut verschlechterten Bewertungen spiegeln sich die erheblichen Probleme, mit denen etliche Branchen zu kämpfen haben. In den aufstrebenden Ländern Asiens leidet die Textil- und Bekleidungsbranche unter dem gebremsten Absatz von Bekleidung. Dies geht einher mit der verschlechterten Wettbewerbsfähigkeit Chinas und den hohen Lagerbeständen an Baumwolle, dem Hauptmaterial für Kleidung. Die Schwierigkeiten für die Produzenten haben Coface veranlasst, die Branche jetzt in „hohes Risiko“ herabzustufen.
Der Einzelhandel in Nordamerika findet sich jetzt in der Kategorie „mittleres Risiko“. Ursächlich dafür sind die Umsatzzahlen in den USA, aber mehr noch in Kanada, das im ersten Halbjahr 2015 in eine Rezession geriet. Kanadas Wirtschaft ist stark abhängig vom Öl. Zudem wirkt die Verschuldung der Haushalte negativ auf den Konsum. Die Metallbranchen in Westeuropa sind in einer schwierigen Phase, trotz Anzeichen einer leichten Erholung am Bau und der dynamischen Automobilbranche, die zu einer gesteigerten Nachfrage nach Metallen führen. Die Stahlproduktion geht aber zurück, vor allem wegen der Billigimporte aus Asien. In den ersten sieben Monaten 2015 führte Europa doppelt so viel Stahl ein wie 2013. Coface sieht die Gefahr einer weiteren Destabilisierung der Branche und stuft sie in „sehr hohes Risiko“ ein.
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