Stockendes Geld aus Asien-Pazifik
Von Dr. Oliver Everling | 13.Mai 2015
In der Region Asien-Pazifik haben im vergangenen Jahr 70 Prozent der Unternehmen Zahlungsverzögerungen erlitten. Das hat Coface in einer jährlichen Studie festgestellt. Der internationale Kreditversicherer hat dazu rund 2700 Unternehmen in acht Ländern befragt. Die 70 Prozent sind der höchste Wert seit drei Jahren. Zudem erklärten 37 Prozent der Unternehmen – zwei Prozent mehr als im Vorjahr –, dass die Beträge höher waren. Besonders betroffen sind Unternehmen in China, Indien, Hongkong und Thailand. In Australien, Japan, Singapur und Taiwan hat sich das Zahlungsverhalten hingegen verbessert.
Coface fragte unter anderem nach der Anzahl der Verzögerungen, der durchschnittlichen Überziehungsdauer sowie nach möglichen Auswirkungen auf die Liquidität bei besonders langen Verzögerungen über 180 Tage. Während sich die Überziehungssituation für die ganze Region betrachtet verschlechtert hat, zeigt Australien in allen Punkten eine deutliche Verbesserung. Auch in Singapur und Taiwan hatten die Unternehmen weniger Probleme bei den Zahlungseingängen zu verzeichnen. Dort wurde das Zahlungsziel nicht mehr so lange überzogen und auch der Anteil der extrem langen Verzögerungen ging zurück. In Japan dagegen stiegen Zahl und Dauer der Zahlungsverzögerungen. Allerdings ist hier der Anteil der extrem langen Verzögerungen am geringsten in der Region. Auch Insolvenzen und Firmenschließungen bleiben auf niedrigem Niveau.
Mit 80 Prozent blieb in China der Anteil von Unternehmen, die Zahlungsverzögerungen verbuchen mussten, sehr hoch. Aufgrund der hohen Verschuldung der Unternehmen, der hohen Finanzierungskosten und der geringen Rentabilität einiger Branchen ist auch der Ausblick für die chinesische Wirtschaft 2015 verhalten. Coface bleibt in der Risikopolitik vorsichtig in Branchen und Bereichen mit Überkapazitäten, zum Beispiel Eisen, Stahl, Zement, Schiffbau, Aluminium, Bauglas, Kohleabbau, Papier und Druck.
In Hongkong kommt es immer häufiger zu Zahlungsverzögerungen, auch die Dauer nimmt zu. Der extrem teure Immobilienmarkt und der Druck auf den Einzelhandel – auch wegen des nicht mehr so stark steigenden Tourismus – belasten die Wirtschaft. Auch in Indien nahmen 2014 die Zahlungsverzögerungen zu. Die Kreditprüfer der Coface berichten von deutlich gestiegenen Überziehungsmeldungen aus allen Branchen. An der Spitze der Negativliste stehen Unternehmen mit direktem oder indirektem Bezug zur Baubranche. In Thailand war das Geschäftsklima 2014 schwach, was sich in der Anzahl der aufgelösten Unternehmen zeigt. So blieb das Zahlungsausfallrisiko hoch. Die Wirtschaft litt unter den Folgen der politischen Unruhen, die das Wachstum im ersten Halbjahr bremsten. Coface stellte eine deutliche Verschlechterung im Zahlungsverhalten fest, besonders in Branchen mit Bezug zu Haushaltselektro- und Elektronikgeräten, Chemie, Baustoffen und Stahl.
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Finanzdienstleister der nächsten Generation in Frankfurt
Von Dr. Oliver Everling | 13.Mai 2015
Regulation, Technologie, soziokulturelle Veränderungen und Kapitalflut für neue Geschäftsmodelle sind die Treiber einer Entwicklung, die Finanzdienstleister der nächsten Generation hervorbringen. Prof. Dr. Jürgen Moormann, ConCardis-Professor für Bank- und Prozessmanagement und Leiter des ProcessLab an der Frankfurt School of Finance & Management führt in die Konferenz ein: Zum fünften Mal führt der Frankfurt School Verlag eine ausgebuchte Konferenz zum Thema „Finanzdienstleister der nächsten Generation“ durch.
Moormann skizziert die vielen Chancen, die sich für junge Unternehmer, aber auch Banken ergeben. Für Banken eröffnet sich die Chance der Erneuerung. DIe US-Unternehmen, aber auch asiatische Wettbewerber würden mit atemberaubender Geschwindigkeit neue Produkte entwickeln, berichtet Moormann und erwartet große Unsicherheit im Management etablierter Unternehmen. Die Konferenz liefert Ansätze und Anstöße zu den aufkommenden Fragen.
„Die Auswahl und Überwachung sind entscheidend bei Investitionen“, spricht Prof. Dr. Michael Koetter, Professor of Banking and Finance an der Frankfurt School eine Rolle an, die (auch) Banken zukommt. Informationsasymmetrien bei jungen, intransparenten Firmen, Pecking-Order der Kapitalstruktur, Relationship Lending, Kreditangebotsbeschränkungen bei gestressten Banken usw. sind Stichworte für das, was Firmen zum Crowd Funding (CF) bewegt.
Koetter erläutert seinen Forschungsansatz, mit dem Firmen mit und ohne CF und Banken mit und ohne Krisengeschichte analysiert werden u.a. unter der Annahme, dass junge Firmen ihre Bankbeziehung nicht abhängig von Stressindikatoren auswählen. Mit einer kontrafaktischen Stichprobe aus jungen FIrmen, welche nicht CF genutzt haben (alle Mitglieder des Bundesverbandes Deutsche Statups, BDS). Equity CF ahnelt Aktienhandel mit regulatorischen Hürden. In Deutschland handle es sich nicht um echtes Eigenkapital (Umsatzbeteiligung, keine Stimmrechte). Es besteht keine Prospektpflicht, wenn Angebote p.a. < 100 k €). Koetter stützt sich auf die Untersuchungen von Daniel Blaseg, der seit 2011 die Daten über CF-Plattformen, Bundesanzeiger, Bürgel, Bankscope und Creditreform erfasste. Koetter legt ausführlich weitere Einzelheiten seines Forschungsansatzes offen. Koetter ermittelt, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Unternehmen gebe, die sich von einer „gestressten“ oder „nicht gestressten“ Bank Geld holen. Die Unterschiede zwischen den Gruppen seien gering. „Hat es einen Einfluss auf meine Finanzierungsentscheidung, wenn sich herausstellt, dass meine Bank gestresst ist?“ Unternehmen, die als schlechte Kreditrisiken eingestuft werden, nutzen mit höherer Wahrscheinlichkeit CF. Große junge Unternehmen und solche, die viele „tangible assets“ haben, nutzen CF weniger. „Die Frage, ob ich an einem gestressten Banker hänge, ist irrelevant für die Erfüllung dieser Finanzierungsform, aber doch für die Wahl des CF“, analysiert Koetter und hängt ähnliche Ergebnisse bei alternativen Indikatoren an. Junge Unternehmen mit Beziehungen zu gestressten Banken, so eine Schlussfolgerung von Koetter, dürfen CF als ernstzunehmende Alternative sehen. Sie haben eine rund 18 % höhere Wahrscheinlichkeit, CF zu nutzen. Aber sie zeichnen sich durch schlechtere Kreditratings, kleinere FIrmen und weniger materielle Vemrögenswerte aus. Sie könnte auf schlechtere Qulität der Firmen hinweisen oder (unbeobachtete) ungewöhnliche Erträge relativ zu einer Benchmark.
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Alternatives-Strategien von Harvard und Yale
Von Dr. Oliver Everling | 12.Mai 2015
Auf der Alternative Investor Conference (AIC) des Bundesverbandes Alternative Investment e.V. stellt Walter Pfaff, Partner bei LGT Capital Partners, eine Analyse der Alternatives-Strategien der Universitäts-Stiftungen Harvard und Yale vor. Pfaff befasst sich mit dem Beitrag von alternativen Anlagen zum Erfolg des „Stiftungsmodells“, die Allokationen im Zeitverlauf (viele Höhepunkte mit wenigen kritischen Phasen) sowie mit den aktuellen Entwicklungen und Ausblick.
Pfaff erläutert, dass diese Stiftungen nicht einfach den Index kaufen, sondern sehr sorgfältig Manager auswählen. Die Portfoliostrategie sei durch eine breite Asset Allokation gekennzeichnet. Von den Anlageklassen her ist eine Aktienübergewichtung bezeichnend, neben der hohe Priorität der Managerauswahl.
Die NACUBO-Studie (National Association of College and University Business Officers) liefert eine wertvolle Informationsquelle. „Die drei genannten Pfeiler lassen sich von den großen Stiftungen besser umsetzen“, so ein Ergebnis dieser Studie. Während die Renditen bei Vermögen über 1 Mrd. US$ bei mehr als 8,3 % liegen erreichen die Kleinsten mit bis zu 25 Mio. US$ nur 6,3 % Rendite. Bei den Großen der Branche kommen offenbar Skaleneffekte zum Tragen. „Passives Management finden Sie hier ganz wenig“, so Pfaff weiter.
Größere Stiftungen haben einen höheren Anteil Alternativer Investments im Portfolio. Speziell 2008 gab es negative Schlagzeilen, viele glaubten an ein „Schönwettermodell“, das die Krise nicht überstehen würde. Harvard verzeichnete 27,3 %, Yale -24,6 % im Fiskaljahr 2009, berichtet Pfaff. In den Jahren danach holten die großen Endowments jedoch wieder kräftig auf. Die Quoten der Alternative Investments in den Portfolien nahmen in den letzten Jahren noch deutlich zu.
Bei Harvard gibt es eine stabile Quote von 12 % für Private Equity (PE), während Yale und Stanford ihre Quoten in den letzten Jahren erhöhten. Yale legt großen Wert auf CoInvestments der Maager und auf die Überwachung des Lebenszyklus einer Firma. Fonds, die von Finanzinstituten gesponsort werden, werden in Yale eher weniger beachtet. Yale investiere gerne in neue Firmen mit Mitarbeiterbeteiligung. Yale habe in praktisch allen Assetklassen die relevanten Benchmarks schlagen können, analysiert Pfaff die Statistik.
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VAG-Investor in erneuerbare Energien und Infrastruktur
Von Dr. Oliver Everling | 12.Mai 2015
Viele Anleger sehen sich mit staatlich geförderten Fehlinvestitionen konfrontiert. Die Suche nach besseren Renditen stellt sie daher vor große Herausforderungen. Achim Pütz, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Alternative Investments e.V. führt vor dem Hintergrund der sich rasch wandelnden rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen in die „BAI Alternative Investor Conference“ (AIC) in Frankfurt am Main ein. Dem Verband liegen Infrastrukturinvestments „besonders am Herzen“, wie Pütz formuliert und skizziert, wie sich der Bundesverband hierzu einbringt.
Rolf Dreiseidler, Vorstandsmitglied des BAI e.V. und verantwortlich für das neue Veranstaltungsformat, kommt auf die neue DNA der Konferenz, auf die Keynote Speaker und auf Neuerungen wie der neuen Location zu sprechen. Ausschließlich institutionelle Investoren bestimmen, wer auf der AIC spricht. Die Konferenz sei als Veranstaltung von Investoren für Investoren konzipiert. Verstärkt werde auch der wissenschaftliche Sachverstand mit angesehenen Wissenschaftlern eingebezogen.
Frank Dornseifer, Geschäftsführer des BAI e.V., steigt in seiner Moderation mit einem Vortrag von Dr. Gerd Weidenfeld, Leiter Corporate Finance bei der Gothaer Asset Management AG ein. Weidenfeld ist schon von der ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur aus Köln bekannt. Weidenfeld spricht über „Investitionen in erneuerbare Energien und Infrastruktur — Praxisbericht eines VAG-Investors“. Er spricht über die Anforderungen einies VAG-Investors, die Eigenschaften von Infrastruktur sowie praktische Erfahrungen.
Versicherungsunternehmen benötigen attraktive Assetklassen, die einen attraktiven, stabilen und gut planbaren laufenden Ertrag (in HGB und IFRS) produzieren, ein geringes Risiko haben, das Portfolio stabilisieren, sich für das gebundene Vermögen eignen und einen Ertrag aufweisen, der höher ist als die Zinsansprüche der Versicherungsnehmer sowie eine lange Duration aufweisen.
„Effiziente Strukturen sorgen für einen sofortigen Beitrag zur Nettoverzinsung, führen zu geringen EK-Unterlegungsanforderungen in den diversen Risikomodellen und ermöglichen eine Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern mit einem guten Track Record und effektivem Alignment of Internet“, sagt Weidenfeld. Effiziente Strukturen zeichnen sich eben dadurch aus, einfach zu handhaben zu sein.
Weidenfeld illustriert das große Spektrum der Sub-Assetklassen der Infrastruktur-Investemtnes. Insgesamt produzieren sie einen relative atraktivven Ertrag usw., sind aber nicht risikolos – Entwicklung und Bau, Betrieb, Auslastung, Wetter, Strom- und Grünzertifikatsreise sowie Risiko staatlicher Eingriffe. Weidenfeld erläutert das Risiko „Wind“ anhand des IWT-Index: Investoren in Windenergie mussten mit einigen windarmen Jahren zurechtkommen. Weidenfeld warnt, dass es sich um eine sehr heterogene Assetklasse mit sehr differenzierten Know-How-Anforderungen handelt.
Weidenfeld berichtet von praktischen Erfahrungen: erneuerbare Energien seien seit 2011 im Fokus. „Langsames Auframpen des Portfolios, steile Lernkurve, technische Unterstützung durch unsere EEVersicherungsabteilung: Heute sind 500 Mio. € Equity investiert.“ Weidenfeld unterstreicht die Bedeutung des Gothaer Partner-Netzwerkes: Enercon, Auila Capital, RE IPP, Prime Renewables, Capital Stage, RCP Deutscher Solarfonds II u.a.
Bei Infrastruktur-Debt wirke es sich für die Versicherer positiv aus, dass sich die Banken zurückziehen. Die Renditeerwartungen gehen jedoch eutlich zurück. Die Assetklasse vertrage keine groen Strukturkosten und auch keinen großen internen AUfwand. Attraktive Renditen jenseits von 3 % werden sich ndurch durch kontrollierte Übernahme von Ländervolumina erzielen lassen, glaubt Weidenfeld. Der klassische „Private Equity Style“ Ansatz, nur über eine Managerauswahl zu gehen und dann zu investieren, funktioniere auch mehreren Gründen nicht, listet Weidenfeld auf. Daher empfehle sich eine Kooperation mit einem artner, der nachgewiesenen globalen Zugang zu Deals und einen guten Track Record habe.
Weidenfelds Fazit: „EE und Infrastruktur sind sehr spezielle Assetklassen mit eigenen Gesetzmäßigkeiten. Grundsätzlich gute Passung zu den Anfrderungen eines VAG-Investors, regulatorische Rahmenbedingungen sind jedoch nicht optimal.“ Zu EE bemerkt Weidenfeld, dass es sich um einen sehr fragmentierten Markt mit vielen Playern handelt, während bei Investitionen in Infrastruktur meist sehr große Tickets verlangt sind, der Markt sehr hart umkämpft ist, man es mit großen Playern sowie wenig Angebot in Deutschland zu tun hat. Sourcing guter Deals und zuverlässiger Partner seien „die“ zentralen Herausforderungen. „Skalierbare Plattformen sind unerlässlich – anderfalls erstickt man in Komplexität“, sagt Weidenfeld und betont den Paradigmenwechsel im Asset Management Wandlung vom Selektierer zum Akquisiteur.
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Bitcoin – Geld ohne Staat
Von Dr. Oliver Everling | 12.Mai 2015
Das Buch „BITCOIN – Die digitale Währung aus Sicht der Wiener Schule der Volkswirtschaft“ zeigt, wie sich Altes und Neues ideal miteinander verbinden. Die Wurzeln der sogenannten Österreichische bzw. Wiener Schule reichen tief ins 19. Jahrhundert. Seitdem musste die Menschheit mit ansehen, wie viele Opfer die Missachtung ihrer Lehrsätze forderte – insbesondere durch den Nationalsozialismus und den Sozialismus in seinen sonstigen Ausprägungen bis heute.
Das neue Buch von Aaron Koenig im Finanzbuch Verlag (ISBN 978-3-89879-911-9) schlägt eine Brücke zwischen den tiefen theoretischen Fundamenten der Österreichischen Schule einerseits und modernster Blockchain-Technologie andererseits. Das Buch zeigt, wie eine einst als wenig praktikabel geglaubte Geldordnung durch heutige Technologie zur Realität werden kann oder sogar schon geworden ist.
Das Buch trägt das Gütesiegel von Frank Schäffler, der einige Kerngedanken schon im Vorwort prägnant aufgreift: „In einer zentralen Welt des staatlichen Geldmonopols leiden alle mehr oder weniger“, macht Frank Schäffler in seinem Vorwort klar, „unter Missbrauch, Betrug und Irrtum. Es gibt meist kein Entrinnen. Liegt EZB-Präsident Mario Draghi mit seiner ultralockeren Geldpolitik daneben, ruiniert er die Währung irgendwann, und fällt der Währungsraum auseinander, dann leiden von heute auf morgen Millionen von Europäern darunter. Das ist der entscheidende Nachteil zentraler gegenüber dezentralen Machtstrukturen. Die Wirtschaftsordnung des Dezentralismus ist die Marktwirtschaft.“
Der als „Euro-Rebell“ leiderfahrene Schäffler macht klar, wie schnell Vorschläge zu einer neuen Geldordnung missverstanden werden können: „Hayek wollte übrigens auch nicht das staatliche Geld abschaffen. Er wollte es lediglich dem Wettbewerb mit privatem Geld aussetzen.“
Auch Schäffler glaubt, dass „nahezu alle Verwerfungen an den Finanz- und Gütermärkten haben ihre Grundlage in den Währungsmanipulationen der jeweiligen staatlichen Notenbanken. Wenn die EZB den Zins auf der Soll- und Haben-Seite durch ihre konventionelle und unkonventionelle Geldpolitik beseitigt, verändert sie die Struktur der Preise. Kreditfinanzierte Investitionen lohnen sich plötzlich, die sich unter ‚normalen‘ Zinsbedingungen nie gerechnet hätten.“
Das Buch vereint eine Vielzahl von Stimmen zum Thema „Bitcoin“ aus unterschiedlichen Perspektiven und Regionen, angefangen mit der „Revolución Bitcoinista“ in Argentinien, denn Argentinier mussten schon in extremer Weise die Nachteile des staatlichen Zwangsgeldmonopols erfahren, das in Europa erst heute dabei ist, sein Unwesen zu entfalten.
Aaron zeigt an ganz praktischen Beispielen auf, welchen Nutzen Bitcoin für Menschen in unterschiedlichsten Situationen haben kann. Im zweiten Kapitel skizziert er die Wiener Schule, die Vordenker der freien Marktwirtschaft. Während die Argumentation für eine freie Marktwirtschaft vielen Lesern noch geläufig sein mag, ist das Wissen darum, warum das staatliche Geldmonopol schädlich ist, weit weniger verbreitet. Daher widmet Aaron der Geldschöpfung „aus dem Nichts“ ein eigenes Kapitel und stellt es in einem weiteren Kapitel dem „digitalen Gold“ gegenüber: Warum Bitcoin gutes Geld ist.
Das Buch von Aaron ist auch eine gute Einführung in die theoretischen Hintergründe von Bitcoin, denn er erläutert ausführlich den „Konsens per Kette“, namentlich Satoshis epochale Erfindung der Blockchain. Die Quantität der Aufmerksamkeit, die das Thema „BItcoin“ schon in den Medien gefunden hat, steht oft in reziproker Relation zur fachlichen Qualität der Publikationen. Daher setzt sich der Autor auch mit einer Reihe von Vorurteilen auseinander, denen sich die Verwender von Bitcoin ausgesetzt sehen.
Die Kernbotschaft des Buches ist: „Dezentral ist besser“. Es ist daher nicht mit einer „Gebrauchsanleitung für Bitcoin“ zu verwechseln, obwohl das Buch auch alles Wissen vermittelt, um sich direkt auf die Suche nach einer geeigneten App fürs Smartphone zu machen und Bitcoins zu laden. Aaron zeigt vielmehr auf, wie das Blockchain-Prinzip, das jeder Bitcoin zugrunde liegt, in allen Lebensbereichen Nutzen stiften wird.
Sein letztes Kapitel trägt den Titel „Agora 2.0 – Auf dem Weg in eine freie Gesellschaft“. Es zeigt auf, wie der schädliche Teufelskreis immer weitergehenderer Staatseingriffe und Kontrolle durchbrochen werden kann. Wer den Ruf nach „mehr Staat“ und „mehr Regulierung“ bereits durch den lapidaren Hinweis auf die Finanzkrise begründet sieht, sollte sich sorgfältig die Worte von Ludwig von Mises überlegen. Dieser schreibt dazu: „Der Staatsapparat ist ein Zwangs- und Unterdrückungsapparat. Das Wesen der Staatstätigkeit ist, Menschen durch Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zu zwingen, sich anders zu verhalten, als sie sich aus freiem Antriebe verhalten würden.“
„In Deutschland kassiert der Staat heute über direkte und verdeckte Steuern etwa 70 Prozent des Einkommens eines durchschnittlichen Arbeiters. Über die Hälfte der Menschen lebt vom Staat. Ob Hartz-4-Empfänger, Gleichstellungsbeauftragte oder Universitätsprofessor: Sie werden letztendlich von denjenigen bezahlt, deren selbst erwirtschaftetes Eigentum der Staat zu einem Großteil konfisziert. Ludwig Erhard warnte schon früh vor einer Ausuferung des Sozialstaats“, berichtet Aaron.
„Das Grundproblem des Systems Staat: Wer über das Geld anderer Leute verfügen kann, wird damit verständlicherweise nicht so verantwortlich umgehen wie mit seinem eigenen. Dies führt auf Dauer zu Verschwendung, Misswirtschaft und Überschuldung. Besonders perfide ist es, dass der Staat nicht nur über die Erhebung von Steuern, sondern auch über sein Geldmonopol auf das Eigentum der Menschen Zugriff hat, denn dies ist den wenigsten Menschen bewusst.“ Daher folgert Aaron: „Weg mit dem Geldmonopol!“
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Wenige Top-Fonds bei Versicherungen
Von Dr. Oliver Everling | 11.Mai 2015
Im Niedrigzinsumfeld nimmt die Komplexität der Fonds im Angebot fondsgebundener Versicherungsprodukte stetig zu. Profitieren konnten hiervon insbesondere ETFs und Multi-Asset Fonds. Gleichzeitig mangelt es bei einem Großteil der angebotenen Fonds weiterhin an der Fondsqualität. Nur rund 46 Prozent des aktuellen Fondsangebots der Versicherer verfügt über ein FERI-Top Rating von A (sehr gut) oder B (gut). Im Bestand der Versicherungen ist der Anteil an Fonds mit Top-Rating mit 41 Prozent noch geringer. „Versicherer setzen in der Selektion weiterhin auf bekannte Produkte von großen Gesellschaften. Diese haben aber oft nur durchschnittliche oder schwache Ratings. Viele Versicherungen schenken der Qualität der von ihnen angebotenen Fonds zu wenig Beachtung. Dabei ist diese für die langfristig erzielbare Rendite des Versicherungsnehmers von zentraler Bedeutung“, kommentiert Dr. Tobias Schmidt, Vorstandsprecher der FERI EuroRating Services AG. Immerhin hat sich die Qualität des Bestands gegenüber der letzten Untersuchung aus 2013 um fünf Prozentpunkte verbessert. Das Potenzial sei aber längst nicht ausgeschöpft.
Dies sind die zentralen Ergebnisse der dritten Studie zur Fondsqualität in Versicherungsprodukten der FERI EuroRating Services AG. Untersucht wurden das aktuelle Fondsangebot von 51 Versicherungen mit rund 2.800 Fonds sowie der Bestand an Fonds in bereits bestehenden Versicherungspolicen von 71 Versicherungen mit rund 7.100 Fonds.
Der Anteil an Fonds mit einem Volumen von weniger als 50 Millionen Euro liegt im aktuellen Angebot bei 11,4 Prozent. Im Bestand der untersuchten Policen sind es sogar 17 Prozent. „Kleinere Fonds müssen per se nicht schlecht sein. Das Risiko, dass sie wegen mangelnder Profitabilität geschlossen werden, ist allerdings nicht zu vernachlässigen. Ein Drittel aller Fonds, die 2013 im Bestand waren und ein Volumen von weniger als 50 Millionen Euro hatten, sind mittlerweile geschlossen oder mit anderen Fonds verschmolzen. Das produziert unnötigen Verwaltungsaufwand bzw. Kosten, die bei entsprechender Auswahl der Fonds im Vorfeld vermieden werden können“, so die bei FERI EuroRating zuständige Analystin Sabrina Barth.
Das anhaltende Niedrigzinsumfeld hat auch bei den Versicherungspolicen sichtbare Spuren hinterlassen. Nur noch 31 Prozent der Versicherer bieten derzeit Garantiefondsprodukte mit Laufzeitbegrenzung an. 2013 waren es immerhin noch knapp 65 Prozent. Gleichzeitig ist der Umfang des angebotenen Fondsuniversums deutlich gestiegen. So ist die Zahl der Fonds in den untersuchten Angebotstarifen zwischen 2013 und 2015 von 1.200 auf 2.800 Fonds angewachsen.
„Wir haben es mit einer immer breiteren Palette an Fondskategorien zu tun, die sich auch in ihrer Struktur deutlich verändert hat“, sagt Barth. Der Anteil der Versicherungsgesellschaften, die Multi-Asset bzw. vermögensverwaltende Fonds einsetzen, hat sich über die Jahre deutlich erhöht. 2010 lag dieser Anteil noch bei 57 Prozent. Nach 76 Prozent in 2013 liegt dieser heute bei 95 Prozent.
Besonderes Interesse konnten zuletzt auch ETF-gebundenen Versicherungen auf sich ziehen. Lag der Anteil der Versicherer mit ETF-Angebot 2013 noch bei acht Prozent, so sind es aktuell bereits 37 Prozent. Dabei ist die Verteilung dieses Anteils über die verschiedenen Tarifarten relativ konstant. Nachhaltigkeitsfonds verzeichnen ebenfalls gestiegenes Interesse. Diese sind nun zu 72 Prozent (2013: 63 Prozent) im Angebot vorhanden. „Der Komplexitätszuwachs bei den Fondskategorien stellt Versicherer vor große Herausforderungen. Der Analyseaufwand ist merklich gestiegen. Gleichzeitig besteht weiterhin Handlungsbedarf bei der Qualitätsprüfung der Fonds. Versicherungsnehmer bzw. Interessenten von fondsgebundenen Versicherungen sollten entsprechende Qualitätsüberprüfungen beim Versicherungsgeber einfordern. Auch der Berater oder Vermittler kann hier einen wertvollen Beitrag liefern“, resümiert Vorstandssprecher Schmidt.
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Auf dem Weg zu Parallelwährungen
Von Dr. Oliver Everling | 9.Mai 2015
Der Blick mit Thomas Mayer, Founding Director des Flossbach von Storch Research Instituts, auf die Geldordnung der Europäischen Währungsunion lohnt sich: Sollte man mit Geld überhaupt Politik machen, fragt Mayer, der sich schon als Chefvolkswirt der Deutschen Bank mit diesem Thema befassen musste.
Im internationalen Bereich gibt es keine treffende Übersetzung des Begriffs „Ordnungspolitik“. Im frühen 18. Jahrhundert wurde der Gedanke von John Law aufgebracht, mit Geld Politik zu machen, und zu Exzessen geführt. Die heutige Geldpolitik fügt sich an die Tradition von John Law.
„Der Euro kam auf die Welt wie ein Kind“, illustriert Mayer, „ein Kind, das über verschiedene Anlagen verfügt.“ Bei der Geburt seien dem Euro zwei Anlagen mitgegeben worden, nämlich die des Warengeldes und die des Staatsgeldes. Letzteres dient der Finanzierung des Staates (z.B. Papiergeld, wie es von John Law ausgegeben wurde). Staatsgeld wird entweder direkt vom Staat ausgegeben oder indirekt über eine weisungsgebundene Zentralbank.
Giralgeld wird akzeptiert als Geldersatz. Der Staat begleitet die private Schuldgeldproduktion, indem er über seine Zentralbank die Schuldgeldproduktion indirekt steuert und auch abstützt, indem er für staatliche Einlagenversicherung und für eine Zentralbank als letzte Instanz eines „lender of last resort“ sorgt.
Warengeld dagegen impliziert ein unelastisches Angebot und auch, dass Banken bankrott gehen können. Ebenso Staaten: Diese können dann aber den Warengeldstandard aufgeben. Staatsgeld ist durch ein elastisches Angebot des Geldes durch eine staatliche Zentralbank zur Erreichung wirtschaftspolitischer Ziele gekennzeichnet. Die Zentralbank ist nach dem Staatsgeldmodell Kreditgeber der letzten Instanz für Banken, aber auch für Staaten.
Der Euro war ein ein Kind des Kreditbooms. In seinem ersten Lebensjahrzehnt blieb der Charakter der Euro unscharf. Die Staatsdefizite konnten mit billigen Kredit finanziert werden. Die wärmende Sonne der billigen FInanzierung sorgte für Wachstum, insbesondere im Mittelmeerraum, aber auch in Irland.
Private Haushalte, Banken und Unternehmen konnten sich scheinbar grenzenlos verschulden. Wachstum wurde durch Immobilien und einen Bauboom angetreiben. Griechenland war ein krasses Beispiel dafür, wie alle diese Möglichkeiten kombiniert wurden.
Das Zerplatzen der globalen Kreditblase beendete die Flitterwochen des Euro, so Mayer: „Günstige Kredite waren der Klebstoff, der die EWU zusammenhielt.“ Als aber keine günstigen Kredite mehr bereitstanden, war die Klebewirkung weg. Griechenland war der sprichwörtliche „Kanarienvolge in der KOhlemine“, dem als erstes Land der Bankrott drohte. Die Stabilisierung der EWU erfolgte durch Kredite der EZB.
Das „Maastricht-Modell“ mit „No Bail-out“ beizubehalten und ie Anpassung daran durch Verringerung der Zahl der EWU-Mitglieder zu erreichen, würde dne Charakter des Euro als Warengelds stärken. Wenn alle Mitglieder aber in der EWU gehalten werden, wird der Weg zum Staatsgeld weiter beschritten.
2010 bis 2011 führten Bemühungen, das Maastricht-Modell aufrechtzuerhalten, zu einer Vertiefung der Krise. 2012 fiel die Entscheidung, den Mitgliedsländern Priorität gegenüber dem Modell einzuräumen, und damit für Entspannung zu sorgen. Der Charakter des Euro wechselt daher vom Warengeld zum Staatsgeld, ohne dass man sich darüber konzeptionell Gedanken gemacht hätte.
Die Emission von Staatsgeld setzt einen EWU-Staat voraus, jedoch fehle dazu der Wille. Preisstabilität, Hausthaltsdisziplin, Finanzmarktstabilität und wirtschaftliche Flexibilität (und Wachstum) stehen in einem Wirkungszusammenhang. Mayer skizziert, wie sowohl Haushaltsdisziplin, als auch wirtschaftliche Flexiblität erreicht werden sollte.
Für den Euro wurde ein Schattenstaat geschaffen: „Ohne diesen Schattenstaat ist der Euro nicht lebensfähig“; urteilt Mayer. Lateinische Münzunion (1865 bis 1914), Rubelzone (1991/1992) usw. sind historische Beispiele dafür, dass Staatsgeld ohne Staat scheitert. Daher hofft man heute, durch eine Reihe von Regulierungen de facto einen zentralistischen europäischen Staat als Schattenstaat zu schaffen.
Die Europäische Union könne nur als „Demokratie“ konstituiert werden („Staatenverbund“). Die Kernsouveränität liege auf nationaler Ebene, definierte Bereiche werden auf EU-Ebene delegiert. Das wäre dann eine EU der verschiedenen Integrationskreise. Für die EWU ergebe sich dann die Perspektive eines Super-Goldstandards mi Anpassungsmechanismus, Umschuldungs- und Exit-Klausel. Mayer hält es für möglich, dass es in Europa zu Parallelwährungen neben der Gemeinschaftswährung kommen wird. Mayer weist darauf hin, dass der Euro auch deshalb nicht als Alternative zum US–Dollar gesehen wird, weil der Euro mangels Staat kein Staatsgeld sein kann.
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Aufschwung ohne Überschwang
Von Dr. Oliver Everling | 9.Mai 2015
„Aufschwung ohne Überschwang“, skizziert Dr. Holger Schmieding von der Berenberg Bank. „Nur die Lokführer nehme ich davon ausdrücklich aus.“ Schmieding sieht keine Übertreibungen: Bei den Verbraucherpreisen nicht, bei den Löhnen nicht und auch nicht bei den Immobilienpreisen. Letztere Wahrnehmung, räumt Schmieding ein, mag mit der Tatsache zusammenhängen, dass Schmieding in London tätig ist, wo ganz andere Immobilienpreisentwicklungen zu beobachten waren und sind als in Frankfurt am Main.
Schmieding meint zu sehen, dass breite Bevölkerungkreise in Deutschland in ihrem Verhalten immer noch durch die dramatischen Erfahrungen aus der Finanzkrise geprägt seien. Entsprechend vorsichtig gehe man vor, worin er als Volkswirt keinen Nachteil sehen kann. Auch das Wahlergebnis in Großbritannien kommentiert er positiv: „Wenn man den Briten eine ernsthafte Frage stellt, bekommt man auch eine ernsthafte Antwort. Anders als bei den Wahlen zum Europaparlament.“
Der Fokus auf die Geldwertstabilität, ohne hinreichend auf die Stabilität des Geldwesens zu achten, sei nicht ganz falsch aber doch zu eng gefasst gewesen. Eine Zentralbank muss auch auf Geldmenge und Kreditvolumen schauen. Dass die Notenbanken in den USA und Europa vor 2008 ein übermäßiges Kreditwachstum zugelassen hatten, habe letztlich den Boden für die große Finanzkrise danach bereitet.
Am 18. März 2009 beschloss die US-Notenbank, US-Staatsanleihen anzukaufen. Schon einen Monat später zeigten die Konjunkturindikatoren auch in Deutschland nach oben, glaubt Schmieding zu sehen. „Es ging damals darum, schlagartig die Panik zu stoppen, um einen schlagartigen Vertrauenseffekt.“ Der Vertrauenseffekt sei sofort sichtbar. Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik funktioniere in Normalzeiten wie es in den Lehrbüchern stehe, nicht aber in einer solchen Krisensituation. Da zähle die Wiederherstellung des Vertrauens mehr.
Am 26. Juli 2012 habe sich die Stimmung der Welt gegenüber der Eurozone wegen der berühmten Worte von Mario Draghi gedreht. „Ein reiner Vertrauenseffekt. Wir glauben nicht mehr, dass die Währungen auseinanderbrechen könnten. Wir haben die Zuversicht, dass die Zukunft wahrscheinlich besser wird.“ Putin habe die Konjunktur voübergehend aus dem Tritt gebracht.
Heute wirke die Geldpolitik wesentlich mehr über die Wechselkurse. Mit den Ankäufen von Staatsanleihen seien die Renditen gar nicht mehr gefallen, sondern in Vorfreude oder Vorwegnahme seien die Renditen schon vorher gesunken. „Ich dachte eigentlich, der Tiefpunkt hätte schon Ende Januar erreicht werden müssen, nicht erst im April.“ Mit der anspringenden Konjunktur erwarte man nun wieder mit leicht steigenden Zinsen aufgrund steigender Kreditnachfrage.
Der Zentralbank werde es wesentlich leichter fallen, auch die Bundesanleihen auf dem Markt zu finden, um ihre Aufkäufge fortzusetzen. Die neue Rolle der Geldpolitik sei die Rückbesinnung auf Erkenntnisse, die man schon lange habe. Das Monopol der Notenbank sorge für eine „unglaublich starke Stellung“. SIe könne sich daher überwiegend über die Geldwertstabilität Gedanken machen. „Wir müssen uns aber auch über den Übertragungskanal Gedanken machen, auch an die Stabilität des Geldwesens denken.“
Schmieding rechtfertigt das massive Eingreifen der Zentralbanken. „Die Brandschutzordnung reicht meistens, aber manchmal muss die Feuerwehr ausrücken“, sagt Schmieding. Die Institution mit dem meisten Löschwasser sei die Zentralbank. „Ich kann derzeit keine Blasen entdecken.” Zumindest nicht in dem Sinne, dass Vermögenspreise auf breiter Front durch übermässig kreditfinanzierte Käufe in absurde Höhen getrieben würde. „Das Kreditwachstum ist insgesamt ja eher mässig“, analysiert Schmieding.
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Accountability Bonds zur Staatenfinanzierung
Von Dr. Oliver Everling | 8.Mai 2015
Mit eigener Währung hat eine nationale Regierung einen Leder of last resort. Der Wert der Staatsanleihe ist dann (nomial) sicher und der Verzicht auf Eigenmittelunterlegung von Staatsanleihen bei Banken zu rechtfertigen. Ohne eigene Währung fehlt aber diese Quelle der Refinanzierung, so dass Staatsanleihen risikobehaftet sein können, wie es auch im Eurowährungsraum der Fall ist.
Prof. Dr. Clemens Fuest vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) an der Universität Mannheim erläutert die Governance der Fiskalpolitik in Europa. Wenn die Haftung für Staatsschulden und die Entscheidung über Staatsverschuldung in einer Hand liegen würden, hätte man eine zentrale Fiskalunion. Gegewärtig fallen Haftung und Entscheidung jedoch auseinander. Wenn national gehaftet und auch entschieden würde, kann man von einer dezentralen Fiskalunion sprechen. Fuest beruft sich auf Überlegungen des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen (2012).
Das Konzept einer zentralen Fiskalunion hat wenig Aussichten auf Realisierung. Daher muss man sich mit dem Konzept einer dezentralen Fiskalunion befassen. Nationale Parlamente entscheiden weiterhin über die Höhe der staatlichen Neuverschuldung. Dies verlangt ein glaubwürdiges Verfahren für Restrukturierung von Staatsschulden bei Überschuldung einzelner Mitgliedstaaten, außerdem einen Finanzsektor, der Verluste aus der Restrukturierung öffentlicher Verschuldung absorbieren kann und fiskalpolitische Disziplinierung inerster Linie durch Kapitalmärkte. „Fiskalplitische Koordnation kann hilfreich sein, ist aber nicht entscheidend“, sagt Fuest.
Bereits beschlossen sind der Krisenbewältigungsmechanismus des ESM, die verstärkte Koordination der Wirtschafts- und Fiskalpolitik und die Bankenunion im Sinne einer Bankenaufsicht durch die EZB, gemeinsamer Bankenrestrukturierungsmechansimus (SRM, BRRD) und gemeinsamer Bankenrestrukturierungsfonds (SRF).
Fuest kommt auf den Van Rompuy Report (fiskalische Kapazität auf zentraler Ebene zur Vesicherung gegen ökonomische Schocks) zu sprechen, wie auch auf Vorschläge der Europäischen Kommission: Fiskalische Kapazität, Eurobilss/Stability Bonds, Schuldentilgungsfonds und langfristige Besteuerungs- und Verschuldungsrecht der EU. Keiner dieser Vorschläge beinhaltet ein Verfahren für die Restrukturierung von Staatsschulden.
„Wenn die Eurozone eine Zukunft haben soll, brauchen wir eine stärkere Gläubigerbeteiligung“, sagt Fuest und schlägt zum Einstieg in die Gläubigerhaftung bei Staatsanleihen „Accountability Bonds“ vor. Die Idee ist eine neue Klasse nachrangiger Staatsanleihen, die bei Finanzkrisen oder bei Überschreitung kritischer Verschuldungsgrenzen vorübergehend oder endgültig nicht mehr bedient werden (Trigger vielfältig gestaltbar). Wenn ein Mitgliedstaat die im Rahmen des Europäischen Semesters vorgegebenen Budgetziele verfehlt, wird der Überschuss an Schulden mit Accountability Bonds finanziert. Die neuen Bonds sieht Fuest u.a. als Antwort auf die Debattte über exzessive Risikozuschläge bei Staatsanleihen und als Auflösung der impliziten Verschuldung.
„Der wichtigste Defizit der fiskalischen Integration ist ein fehlendes Verfahren zur Restrukturierung von Staatsschulden. Accountability Bonds wären ein erster Schritt.“ Fuest glaubt daran, dass eine fiskalische Stabilisierung durche eine europäische Arbeitslosenversicherung mit überschaubarem Budgte möglicht wäre, bei dem die Umverteilungsefffekte durch „richtiges Design“ begrenzt würden. Die Frage sei aber. ob dadurch eine politische Dynamik in Richtung Transferunion ausgelöst würde. Eine Modellierung der Konsequenzen von Accountability Bonds für die Ratinglandschaft gibt es noch nicht.
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Neuer Nationalismus oder digitale Weltgesellschaft
Von Dr. Oliver Everling | 7.Mai 2015
Geld regelt Beziehungen zwischen Menschen. Aus einer Reihe von Untersuchungen, berichtet Prof. Dr. Armin Nassehi, Proffessor für Soziologie von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) auf dem 9. Coface Kongress Länderrisiken in Mainz, geht hervor, dass auch die Beziehungen innerhalb von Familien durch die Dienste von zum Beispiel Versicherungen besser geregelt werden können, wenn innerhalb der Familie nicht ständig über Geld geredet werden muss.
Nassehi stellt das Thema seines Vortrags, „Neuer Nationalisus oder digitale Weltgesellschaft?“ in einen größeren Kontext. Insbesondere weist er darauf hin, dass sein Thema eigentlich auch „Neuer Nationalismus UND digitale Weltgesellschaft?“ lauten könne.
„Das Gehirn spiegelt eine analoge Welt vor“, kommt Nassehi auch auf die Hirnforschung zu sprechen. Es werde im Gehirn ein Bild von der Welt produziert. VIele Konflikte ließen sich aber gar nicht „analog“ erklären. Statt digitaler statistischer Gruppen könne man sich umgekehrt auch „analoge“ Gruppen vorstellen. Der Nationalismus sei Symptom von Anpassungsstörungen. Regionale Räumen seien in einem weltwirtschafftlichen Zusammenhang nicht kontrollierbar. Es sei fraglich, ob sich überhaupt einzelne Nationalstaaten selbst kontrollieren könnten.
„Wir verschaffen wir uns Vertrauen in einer Welt, wo der Dialog zwischen analoger und digitaler Welt außerordentlich schwierig ist?“ Nassehi gibt das Beispiel des Marienplatzes in München, nämlich wie voraussetzungsreich es heute sei, über diesen belebten Platz zu gehen. In früheren Gesellschaften seien viele der Menschen heute dort als „Feinde“ klassifiziert worden. Heute dagegen handelt es sich selbst dann um Freunde, wenn man nicht zuvor mit ihnen kommuniziert habe.
Die Technik ist eine logische Folge einer digitalisierten Gesellschaften. „Durch die Digitalisierung kommen Menschen zusammen. Vor allem kommen aber Daten zusammen“, sagt Nassehi und weist darauf hin, wie von Amerikanern ein etwas romantisches Bild von den sozialen Kontakten gezeichnet werde, die durch die Digitalisierung möglich wurden.
Der Handel unter Menschen schafft Vertrauen, sagt Nassehi. Buchstäblich könne nur durch Handeln Vertrauen geschaffen und gefestigt werde. Daher gingen Versuche fehl, durch verbale Versicherungen Vertrauen zu schaffen. Nassehi nennt dazu verschiedene Beispiele. Digitale Informationen müssten in analoge Formen gebracht werden.
„Krisen kommen vor allem durch Bilder zustande“, warnt Nassehi, „damit verschaffen sich Akteure Macht.“ Nassehi zeigt auf, wie die Digitalisierung auch zu neuen Formen des Terrorismus geführt habe, dessen Ziel es ist, Bilder in das weltweite digitale Netz einzuspeisen.
Carsten Knop, verantwortlicher Redakteur für Wirtschaftsberichterstattung und Unternehmen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, nimmt Nassehi mit in die Podiumsdiskussion mit Christoph Haar, Vice President Business Development & Marketing, Schenck Process Group, Ernst-Josef Mesterom, Abteilungsdirektor Internationales Firmendkundengeschäft, Deutscher Sparkassen- und Giroverband, und Dr. Kristin Shi-Kupfer, Leitern des Fachbereichs Politik, Gesellschaft, Medien am Mercator Institute for China Studies (MERICS).
„Im deutschen Mittelstand gibt es viele sogenannte Hidden Champion“, sagt Mesterom. Damit sie das bleiben, müssten sie sich auf Weltmärkten bewähren. Entsprechend gingen heute nicht mehr nur die großen Knozerne ins Ausland, sondern auch sehr viele mittelständische Unternehmen. Die Aufgabe der Sparkassenorganisation sieht Mesterom darin, diese Unternehmen dabei zu begleiten.
Haar teilt seine Erfahrungen aus China: So sei die Mitarbeiterfluktuation in China sehr hoch. Daher sei es ein besonderer Erfolg, wenn es deutschen Unternehmen gelingt, chinesische Mitarbeiter an ihr Unternehmen zu binden.
Shi-Kupfer berichtet von den Schritten der chinesischen Regierung, zunächst Google-Dienste, nun aber auch Virtual Private Networks zu blockieren und Quellcodes offenlegenzulassen. Letztere seien für viele Unternehmen wichtig, um sicher vertrauliche Daten elektronisch verfügbar zu halten. Auf die neuen Herausforderungen müssen sich Unternehmen in China einstellen. Shi-Kupfer stimmt Nassehi zu, dass Protektionismus eine Reaktion auf Kontrollverlust sei. In China sei es ganz offensichtlich, dass die Digitalisierung zu einer Machtverschiebung geführt habe.
Haar macht klar, dass die chinesische Regierung ein hohes Interesse an wirtschaftlicher Zusammenarbeit habe. Daher werde auch künftig die Kommunikation über die Grenzen hinweg in den Unternehmen sichergestellt. Aus seinen Worten lässt sich schließen, dass es bei der Schenck Process Group in dieser Hinsicht offenbar keine Probleme mit China gibt.
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