Jetzt Investment Grade oder High Yield?
Von Dr. Oliver Everling | 18.Juli 2023
Um im Rentenbereich eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften, sind Anleger nicht länger gezwungen, die Risikoleiter hochzuklettern. Selbst der Investment-Grade-Bereich eröffnet mittlerweile wieder attraktive Anlagemöglichkeiten. Doch wie sollten Anleger beim Aufbau ihrer Fixed-Income-Quote vorgehen? Desiree Sauer, Investment-Strategin bei Lazard Asset Management, und Michael Weidner, Leiter des europäischen Rentenmanagements, nennen vier Punkte, die Anleger bedenken sollten.
„Die Realrenditen sind auf Grundlage der aktuellen Inflationsraten zwar noch niedrig oder (leicht) negativ. Nimmt man jedoch die erwarteten Inflationszahlen als Grundlage, dann ändert sich das Bild. Dann notieren beispielsweise viele 10-jährige Staatsanleihen bereits über oder nahe der Null, da der Markt von sinkenden Inflationszahlen ausgeht“, erklärt Desiree Sauer. „Das heißt, auf der Grundlage der Inflationserwartungen sind diese Papiere wieder attraktiv. Wir sehen gerade bei Qualitätsanleihen aktuell gute Einstiegsniveaus.“
Duration: Kurz oder lang? „In der Vergangenheit sind Anleger dafür entschädigt worden, dass sie die mit langfristigen Anleihen verbundene zusätzliche Unsicherheit (Zinsänderungsrisiko) auf sich nahmen“, sagt Weidner. Seit geraumer Zeit sei dies jedoch nicht mehr der Fall: Die Laufzeitenprämie, sprich die Renditekompensation für das Halten länger laufender Anleihen, sei negativ. „Deshalb präferieren wir aktuell Anleihen mit kurzer Duration“, so Weidner. „Die Reduzierung der Zinssensitivität durch einen Fokus auf Anleihen mit kurzer Duration ist ein einfacher Weg, die Ertragskraft trotz hoher Volatilität und weiter steigender Zinsen aufgrund hartnäckiger Inflation hoch zu halten.“
Bonität: Investment Grade oder High Yield? Qualitätsanleihen (Investment-Grade-Anleihen privater und öffentlicher Aussteller aus OECD-Ländern) seien historisch die Basis einer ausgewogenen Vermögensallokation gewesen, sagt Weidner. Sie hätten die solide Basis eines Portfolios gebildet, da sie einen stabilen Anlageertrag in vordefinierter Höhe (Einstandsrendite) mit begrenzter Volatilität und vollständiger Liquidität geboten hätten. Angesichts niedriger bzw. negativer Leitzinsen und aggressiver Zentralbankkäufe in den vergangenen Jahren hätten Qualitätsanleihen diese Rolle jedoch zwischenzeitlich nicht mehr erfüllen können. „Nun hat sich die Situation allerdings wieder normalisiert. Attraktive Renditen sind auch im Investment-Grade-Segment wieder möglich“, betont Weidner.
Aber nicht nur die guten Renditeniveaus sprechen aus Sicht des Experten für Anleihen hoher Qualität, sondern auch das aktuelle wirtschaftliche Umfeld. „Steigende Zinsen stellen eine Herausforderung für Anleihe-Emittenten im Allgemeinen dar“, so Weidner. „Besonders betroffen sind High-Yield-Emittenten, die stark unter Druck geraten können, denn die höheren Finanzierungskosten reduzieren die Erträge. Besonders in der Eurozone könnte es daher das eine oder andere Unternehmen nach Jahren künstlich niedriger Zinsen schwer haben, sich zu refinanzieren, so dass das Ausfallrisiko der eher bonitätsschwächeren Euro-Emittenten steigt.“ Weidner und seine Kollegen präferieren deshalb derzeit (mit regionalen Ausnahmen wie nordische High-Yield-Anleihen) bonitätsstarke Emittenten.
Benchmark: Ja oder nein? „Der Einsatz von Benchmarks bei Renteninvestments hat den Vorteil, dass die geläufigen Indizes eine breite Abdeckung in Bezug auf Regionen, Währungen und Segmenten bieten“, sagt Investmentstrategin Sauer. Allerdings sei der globale Anleihemarkt wesentlich größer als das, was in den Indizes vertreten sei, denn „benchmarkfähige“ Emissionen müssten ein Mindestvolumen aufweisen, um berücksichtigt zu werden. Aus Sicht der Expertin ist ein weiterer Nachteil, dass die Gewichtung der einzelnen Komponenten in einem Index gemäß der Marktkapitalisierung erfolge. Dadurch bestehe das Risiko einer wachsenden Gewichtung hoch verschuldeter Emittenten, da der Marktwert dieser Emissionen zunehmend steige. Gleichzeitig nehme auch die Gewichtung von Emissionen, deren Verzinsung gefallen und damit deren Kurs gestiegen ist, zu. Und schließlich entstehe während einer Rentenhausse eine quasi automatische Durationsverlängerung, denn je niedriger die Rendite, desto höher die Duration.
„Um diese Nachteile zu vermeiden, können Anleger bewusst Indizes wählen, die nicht nach Marktkapitalisierung, sondern auf Grundlage anderer fundamentaler Faktoren gewichten“, erläutert Sauer. „Das kann zum Beispiel eine Gewichtung nach Bruttoinlandsprodukt sein.“ Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, zwar eine marktkapitalisierungsgewichtete Benchmark zu wählen, dem Portfoliomanager aber große Freiheiten und Spielräume in Form eines hohen Tracking Errors und Investments außerhalb des Index einzuräumen. So könne der Manager zum Beispiel eine wesentlich geringere Duration als die Benchmark fahren.
„Anleger können sich aber auch für den Verzicht auf eine Benchmark entscheiden, indem sie einen Total-Return-Ansatz wählen“, sagt Sauer. „Hier gewährt der Anleger dem Manager zwar die größtmögliche Freiheit, hat aber dennoch die Chance, Einfluss auszuüben.“ So könne der Anleger beispielsweise Maximalgewichtungen in Bezug auf Länder, Sektoren, Bonität oder Emittenten vorgeben.
Währungsabsicherung: Mit oder ohne? Eine andere zentrale Entscheidung bei Rentenanlagen sei der Umgang mit Fremdwährungen. „Die Volatilität der Anleihekomponenten (Preis und Kupon) kann gering sein im Vergleich zu den Währungsfluktuationen“, erklärt Weidner. „Währungsgesicherte und währungsungesicherte Indizes können sich je nach Marktzyklus stark unterscheiden. Eine Vermögensallokation in verschiedenen Zielwährungen bietet zweifelsfrei Anlagechancen und verbessert in der Regel das Risikoprofil eines breiten Anlageportfolios.“ Verschiedene Währungsräume und damit verbunden verschiedene Zinsregime und geldpolitische Zyklen würden für einen zusätzlichen Diversifikationseffekt sorgen.
Allerdings könne sich eine offene Währungsquote für den Anleger nachteilig auswirken. Sollten Anleger daher nicht über ein eigenes Währungs-Overlay verfügen und Währungen nicht als bewusste Diversifikationsentscheidung ansehen, dann empfiehlt sich aus Sicht des Anleiheexperten eine Währungsabsicherung. „Letztlich ist für den Anlageerfolg wichtig, die Ausgangswährung im Blick zu halten und Chancen sowie Risiken stets aus Sicht eines Euro-Anlegers zu betrachten. Auch attraktivste Anlagechancen in Fremdwährung sind faktisch substanzlos, wenn die Kosten der Währungssicherung vernachlässigt oder ausgeblendet werden“, so Weidner. Aktives Management sei auch hier der Schlüssel zum Erfolg.
Anleiheexperte Weidner resümiert: „Angesichts des aktuellen makroökonomischen Umfelds bietet es sich aus unserer Sicht an, ein Portfolio aufzubauen, welches sich auf Anleihen hoher Qualität und mit einer kurzen Duration fokussiert. Auch ein Total-Return-Ansatz erscheint uns vorteilhaft.“
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Nachhaltigere und nahrhaftere Ernährung im Rating
Von Dr. Oliver Everling | 13.Juli 2023
„Um unser Nahrungsmittelsystem umzugestalten,“ schreibt Pjotr Tjallema, Sustainability Researcher bei Triodos Investment Management (IM), „bedarf es einer Reihe von Maßnahmen, die über die Lebensmittelwertschöpfungskette hinausgehen. Wir brauchen einen Ansatz, der alle wichtigen Akteure, einschließlich Investoren und Regierungen, miteinbezieht, aber auch das Nahrungsmittelumfeld, d. h. alle kontextuellen Faktoren berücksichtigt, die die Wahl der Verbraucher beeinflussen.“ Im Folgenden finden sich weitere Erkenntnisse aus seinen Recherchen.
Die Konzentration auf nur eine dieser Lösungen greift jedoch zu kurz und kann zu Rebound-Effekten führen. Stattdessen braucht das Nahrungsmittelsystem eine umfassende Umstellung vom Erzeuger zum Verbraucher. Änderungen der Ernährungsgewohnheiten, der Preissysteme, des Lebensmittelumfelds und der landwirtschaftlichen Praktiken sind allesamt bedeutende Elemente dieses Wandels.
Unser Nahrungsmittelsystem leidet unter dem übermäßigen Konsum und der Überproduktion von ungesunden und nicht nachhaltigen Lebensmitteln, die eng mit der zunehmenden Einkommensungleichheit zusammenhängen. Etwa 820 Millionen Menschen sind nach wie vor unterernährt, etwa 2 Milliarden Menschen leiden an Mikronährstoffmangel und über 2 Milliarden Erwachsene an Übergewicht. Gleichzeitig ist das Lebensmittelsystem für etwa 30 % der Treibhausgasemissionen und 70 % des Süßwasserverbrauchs verantwortlich, und die Umwandlung von Natur in landwirtschaftliche Nutzflächen ist die Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt.
Studien deuten darauf hin, dass eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten vielleicht die wichtigste Maßnahme ist. Eine Änderung unserer kollektiven Ernährungsgewohnheiten kann erhebliche Vorteile für die Gesundheit und die Nachhaltigkeit bringen, da das Verbraucherverhalten die Einnahmen der Akteure der Wertschöpfungskette beeinflusst. Diese Akteure werden auf nachhaltige Alternativen umsteigen, wenn es dafür nachweislich einen Markt gibt.
Doch wie sollte unsere „neue“ Ernährung aussehen? Die EAT-Lancet-Kommission empfiehlt die Planetary-Health-Ernährung, die auf einem begrenzten Verzehr von tierischen Produkten und mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen basiert. Dazu gehört auch der Verzehr von mehr pflanzlichen Proteinen, z. B. aus Linsen, da diese einen geringen ökologischen Fußabdruck hinterlassen und mit einem geringeren Risiko für koronare Herzkrankheiten in Verbindung gebracht werden. Die Ernährungsumstellung ist ein guter Ausgangspunkt, hat jedoch auch eine Kehrseite, weshalb wir auch andere Lösungen brauchen. Forscher der Universität Wageningen weisen darauf hin, dass der ökologische Nutzen von Ernährungsumstellungen durch Rebound-Effekte zunichte gemacht werden könnte. Verbraucher, die weniger Geld für Lebensmittel ausgeben, verlagern beispielsweise ihr verfügbares Einkommen auf andere Güter mit hohen Umweltauswirkungen. Diese Rebound-Effekte machen deutlich, dass ein umfassender Ansatz erforderlich ist, der Ernährungsumstellungen mit anderen Maßnahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit verbindet, beispielsweise durch Preismechanismen.
In einer kürzlich in der Zeitschrift „Nature Food“ veröffentlichten Studie wurden die weltweiten Kosten verschiedener Ernährungsweisen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit berechnet, und es wurde geschätzt, dass 70 % dieser Kosten auf den Verzehr von Lebensmitteln tierischen Ursprungs (ASF) zurückgeführt werden können. Es ist wichtig, dass politische Entscheidungsträger, Einzelhändler und Produzenten in verständliche Etiketten oder Preissysteme investieren, die diese Kosten auch auf Produktebene ausweisen. Mit solchen Informationen können Verbraucher, Erzeuger und andere Akteure der Wertschöpfungskette andere Entscheidungen treffen. Es ist notwendig, mehr Transparenz zu schaffen und sich auf die Methoden und Daten zu einigen, die für die Berechnung der „wahren Preise“ erforderlich sind: den Kostenwert eines Produkts zuzüglich der ökologischen und sozialen Kosten.
Ein Symbol für Preiswahrheit und Transparenz ist die Banane. Als Grundnahrungsmittel für Millionen von Menschen hat die Banane eine relativ unkomplizierte Lieferkette. Die Banane war eine der ersten Früchte, die Fairtrade- und Rainforest-Alliance-Zertifizierungen erhielten. Auch wenn die Gütesiegel hilfreich sind, würden nachhaltige Bananen sehr von gleichen Bedingungen bei der Preisgestaltung durch Steuern und Subventionen profitieren. Die Informationen liegen vor: Die ökologischen und sozialen Kosten einer Kiste Bananen (18 kg) wurden 2017 auf 6,70 USD geschätzt. Dennoch sollten wir uns umfassender damit befassen, was die Verbraucher in die Lage versetzen kann, gesündere und nachhaltigere Entscheidungen zu treffen.
Lokale Lebensmittelsysteme können einige der negativen Auswirkungen des Lebensmittelsystems abmildern. Kürzere und direktere Lebensmittelketten können den Landwirten mehr Transparenz und eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel verschaffen. Dennoch kann nur etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ihren Nährstoffbedarf ausschließlich durch den Verzehr lokaler Lebensmittel decken. Darüber hinaus können lokale Lebensmittel die Umwelt stärker belasten, da die Produktion an anderen Orten effizienter sein könnte. Der Übergang zu stärker lokal ausgerichteten Lebensmittelsystemen ist ein Teil der Lösung, doch sollten die Vorteile je nach Produkt gegen die Kosten abgewogen werden. Dennoch kann die Stärkung der Verbindungen zwischen Verbrauchern und Erzeugern die Verbraucher in die Lage versetzen, gesündere und umweltfreundlichere Entscheidungen zu treffen. Solche Verbindungen können auch durch Online-Lebensmittelplattformen oder dadurch gefördert werden, dass die Verbraucher mehr über die Herkunft von Lebensmitteln, einschließlich ihrer Saisonalität, erfahren.
Die Landwirte allein können den notwendigen Wandel hin zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen nicht vorantreiben, obwohl auch ihre Praktiken geändert werden müssen, um zu Lösungen beizutragen. Die Landwirtschaft trägt wesentlich zum Klimawandel und zum Verlust der biologischen Vielfalt bei, insbesondere durch die Umwandlung von Natur in landwirtschaftliche Flächen und die Verschmutzung durch Agrochemikalien. Praktiken, die die Natur einbeziehen, bieten potenzielle Lösungen. So können beispielsweise Lebensmittelwälder mit Obst- und Nussbäumen Kohlenstoff binden, Stickstoff binden, die Artenvielfalt fördern und hohe Erträge sichern. Obwohl dieser Ansatz von Natur aus komplex ist, könnte er für die Ökosysteme und den Lebensunterhalt der Landbevölkerung ein Gewinn sein. In solche Landschaften können auch Nutztiere integriert werden. Doch ohne eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten und der realen Preise dürfte eine Ausweitung der Märkte für nachhaltige und gesunde Produkte kaum machbar sein.
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Investoren planen Allokationen in den drei wichtigsten EM-Anleihesektoren
Von Dr. Oliver Everling | 11.Juli 2023
Fünfundsiebzig Prozent der institutionellen Anleger sind optimistisch, was die Aussichten von Schwellenländeranleihen angeht, und werden ihr Engagement in den nächsten zwei Jahren wahrscheinlich ausbauen. Das ist eines der Ergebnisse einer weltweiten Umfrage von Vontobel unter institutionellen Investoren.
Die Vontobel-Umfrage untersucht die Überlegungen und Prioritäten von über 200 institutionellen Anlegern in Europa, Nordamerika und im asiatisch-pazifischen Raum in Bezug auf ihre aktuellen und küntig geplanten Anleihenallokationen. Insgesamt wird die Renditesteigerung (57 Prozent) von den befragten Anlegern als oberste Priorität für festverzinsliche Portfolios genannt. Die Vontobel-Umfrage identifiziert Inflation und Geldpolitik als die Themen, die die makroökonomischen Überlegungen der Vermögensbesitzer dominieren.
Die Prioritäten unterscheiden sich jedoch geringfügig zwischen den Regionen: So erachten die Anleger im asiatisch-pazifischen Raum Renditesteigerung und die Sicherung von Liquidität als gleichermaßen wichtig (beide 55 Prozent). Im Gegensatz dazu steht die Sicherung der Liquidität für nordamerikanische und europäische Asset Owner deutlich weniger im Fokus (49 Prozent).
Auch die Übereinstimmung mit ESG-Investitionszielen wird in allen Regionen als wichtige Überlegung hervorgehoben (41 Prozent). Bemerkenswert ist, dass diese von nordamerikanischen Anlegern als relativ höhere Priorität (51 Prozent) genannt werden, was möglicherweise auf ein wachsendes Bewusstsein und eine zunehmende Akzeptanz der Bedeutung von ESG hinweist.
Die Befragten in allen Regionen nennen auch Diversifizierung (30 Prozent) und Kapitalerhalt (21 Prozent) als wichtige Überlegungen.
Der Umfrage zufolge investieren die meisten Anleger in Schwellenländeranleihen im Rahmen einer diversifizierten Anleihenallokation (61 Prozent). Die Mehrheit ist in Unternehmensanleihen aus Schwellenländern engagiert (52 Prozent), wobei diese beiden Allokationen im Vergleich zum Vorjahr geringfügig niedriger sind.
Knapp die Hälfte (44 Prozent) der Befragten ist in Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung engagiert, wobei die Allokation im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen ist (von 39 Prozent). Aufgrund der anhaltenden Underperformance haben die Anleger dagegen ihr Engagement in Schwellenländer-Staatsanleihen in lokaler Währung reduziert: Nur noch 23 Prozent der Befragten sind in diesem Bereich des Marktes engagiert, gegenüber 47 Prozent im Jahr 2022.
„Anleger müssen sich jetzt positionieren oder sie riskieren, einen attraktiven Einstiegspunkt zu verpassen, das gilt insbesondere bei Lokalwährungen, die in den zurückliegenden Jahren aufgrund schlechter Performance an Beliebtheit verloren und jetzt aber wieder vielversprechender aussehen“, sagt Simon Lue-Fong, Leiter der Vontobel Fixed Income Boutique. „Die Verwaltung von Allokationen in den verschiedenen Segmenten der Schwellenländeranleihen kann schwierig sein, was die Attraktivität von Mischansätzen erhöht, die Vorteile in Bezug auf die Positionierung und günstigen Zugang zu werthaltigsten Chancen bieten können.“
Die Bestände an gemischten Strategien beginnen zu wachsen.Etwa 16 Prozent der Institutionellen wählen diesen Ansatz für ihre EM-Fixed-Income-Allokation, und das, nachdem diese Strategien noch vergangenes Jahr nahezu keine Rolle spielten. Vielleicht werden sich die Anleger der Vorteile dieses Ansatzes stärker bewusst. Diese zunehmende Beliebtheit spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Vontobel-Umfrage wider: Über 70 Prozent der Anleger planen, ihre Allokation in solchen Anlagen in den nächsten 24 Monaten zu erhöhen. Darin spiegeln sich die potenziellen Vorteile von gemischten Strategien, wie eine besserer Diversifikation und ein höheres Risikomanagementpotenzial, verbesserter Renditen und Erträge sowie eine flexiblere Positionierung auf der Renditekurve, wider.
Derzeit halten nur 23 Prozent der Befragten (gegenüber 47 Prozent im letzten Jahr) EM-Staatsanleihen in Lokalwährung, was sie zu der am wenigsten beliebten EM-Anleihenkategorie macht. Ein großer Teil der institutionellen Anleger (38 Prozent) plant jedoch eine Erhöhung ihres Engagements. 71 Prozent die Umfrageteilnehmer, die dies in Erwägung ziehen, führt das Wertsteigerungspotenzial als Hauptgrund für ihre Entscheidung an.
Simon Lue-Fong sagt: „Anleger neigen dazu, sich an dasjenige Segment der Schwellenländeranleihen zu halten, das sie kennen und besitzen. Unsere Analyse zeigt, dass nur sehr wenige Anleger das gesamte Spektrum an Schwellenländeranleihen abdecken, während sich viele auf ein oder maximal zwei Segmente des Universums beschränken. Wir sind der Meinung, dass es sinnvoll ist, diese Horizonte zu erweitern. Angesichts der potenziellen Wertentwicklung, die wir für Lokalwährungen sehen, sollten mehr Anleger dieses Segment aktiv in Betracht ziehen. Die Anleger in unserer Studie nennen das Wertsteigerungspotenzial als Hauptgrund für eine Erhöhung des Engagements in Lokalwährungsanleihen. Deshalb könnte die Allokation eher taktischer als struktureller Natur sein – dabei aber profitabel.“
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Geringe Digitalisierungstiefe der Immobilienwirtschaft
Von Dr. Oliver Everling | 6.Juli 2023
Dr. Florian Stadlbauer von shape.re kritisiert in seinem Workshop auf dem Kongress p5.immo die geringe Digitalisierungstiefe der Immobilienwirtschaft. „Wir sind mitten in der nächsten fundamentalen Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft“, sagt Florian Stadlbauer, und vergleicht den aktuellen fundamentalen Wandel mit dem vom Agrarstaat und Manufakturwesen, von Maßanfertigung und Einzelprodution zur industrialisierten Gesellschaft.
Seine vier Thesen:
(1) Innerhalb der Immobilienbranche existiert mitunter ein geringes Verständnis darüber, was digitale, nachhaltige Transformation bedeutet und wie sie anzugehen ist. „Der Einsatz von Technologie erfolgt nicht zur Kostensenkung und ist kein Pflaster, dass auf ein Problem (z.B. Nachhaltigkeitsreporting) geklebt wird.“
(2) „Keine Hausaufgaben auf der Insel.“ Immobilienunternehmen verfolgen häufig keine holistische Digitalisierungs- bzw. Transformationsstrategie und kein holistisches Vorgehen. Am Beispiel von Brockhaus erläuterte Florian Stadlbauer, wie die Automatisierung und die Digitalisierung nicht zum Überleben der gedruckten Buchausgabe beitrug.
(3) „Keiner braucht (digitale) Zwillinge, oder?“, fragt Florian Schadlbauer, und fügt hinzu: „(Prop-) Techs haben hervorragende Produkte. Sie vermarkten jedoch häufig Technologie und keine Lösungen für Kunden.“
(4) „Die Einsteiger“ in die Digitalisierung haben es gar nicht so schwer. Es bedarf nur weniger Lösungen auf drei Ebenen für die technische Basis der Digitalen Transformation in der Immobilienbranche, glaubt Florian Stadlbauer.
Florian Stadlbauer macht klar, dass Unternehmen mit einer Nachhaltigkeitsstrategie kein Differenzierungsmerkmal haben. Hype-Technologien haben insbesondere Potential in der Immobilienwirtschaft, wenn die Voraussetzungen geschaffen sind.
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Wirtschaftspolitik ohne funktionierenden Kompass
Von Dr. Oliver Everling | 3.Juli 2023
Anhaltende Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft, hohe Inflation, drohende und tatsächliche Abwanderung von Unternehmen, ein deutliches Abrutschen Deutschlands in internationalen Wettbewerbsfähigkeits-Rankings und ein heftiger Streit um ein Gebäudeenergiegesetz – die Liste von Axel D. Angermann analysiert, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe aus Bad Homburg, ist lang: In Deutschland häufen sich die negativen Nachrichten, und es wird immer deutlicher, dass es dabei nicht nur um Einzelfragen geht.
Axel Angermann vergleicht die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands seit Ausbruch der Corona-Pandemie im ersten Quartal 2020 mit der vorherigen Wachstumsdynamik, so dass das Ausmaß der Probleme deutlich wird: „Der in drei Jahren aufgelaufene Verlust an gesamtwirtschaftlicher Wertschöpfung beläuft sich ohne Berücksichtigung der Inflation auf mehr als 500 Milliarden Euro. Bei einer Staatsquote von etwa 50 Prozent hätten also Konsumenten und Unternehmen und der Staat jeweils ungefähr 250 Milliarden Euro zusätzlich verwenden können. Die Relevanz wird deutlich, vergleicht man diese Zahl etwa mit den 5 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung, um die es im aktuellen Streit zwischen dem Finanzminister und der Familienministerin geht.“
Dass sich politische Vorhaben im Umfeld einer starken Wirtschaft leichter verwirklichen lassen, ist wahrlich keine neue Erkenntnis, scheint aber zunehmend in Vergessenheit zu geraten, warnt Axel Angermann: „Die Pandemie und die daraus resultierenden Wohlstandsverluste mögen weitgehend unvermeidlich gewesen sein. Die nun schon seit drei Jahren andauernde Wachstumsschwäche, deren Ende gar nicht abzusehen ist, ist es nicht. Der Verweis auf einen vermeintlichen oder tatsächlichen Stillstand unter vorhergehenden Regierungen führt ebenso wenig weiter wie der auf die Komplexität der Krisen. Die Wirtschaftspolitik wäre stattdessen gut beraten, die strukturellen Ursachen der Wachstumsschwäche zu identifizieren und zu beheben. Dies würde auch die Erfolgsaussichten aller anderen politischen Vorhaben von der Kindergrundsicherung über größere Verteidigungsanstrengungen bis hin zur Meisterung des Klimaschutzes und der Erreichung der Klimaziele deutlich erleichtern.“
Der in den vergangenen Jahrzehnten erzielte Wohlstand beruhte maßgeblich auf der erfolgreichen Entwicklung von Unternehmen in einem marktwirtschaftlichen Umfeld. „Jetzt muss es darum gehen,“ fordert Axel Angermann „diesen Rahmen wieder zu stärken. Das bedeutet: Abbau bürokratischer Hemmnisse statt der Etablierung immer neuer Vorschriften. Die kleinteilige Vorgabe konkreter Lösungen schafft kein innovationsfreundliches Umfeld. Die steuerliche Belastung unternehmerischen Handelns sollte auf das notwendige Maß beschränkt sein. In strategischen Fragestellungen wie der Vermeidung zu großer Abhängigkeiten von China muss der Staat für Klarheit sorgen und nicht einzelne Projekte mit irrwitzigen Summen subventionieren.“
Die strukturellen Umbrüche innerhalb der „alten“ Industrie in Deutschland sollten zum Anlass genommen werden, die Rahmenbedingungen für innovative Zukunftsfelder wie Klimaschutz oder Digitalisierung offener zu gestalten. Nur dann hat Deutschland im internationalen Vergleich noch die Chance, wieder auf eine erfolgversprechende Spur zurückzukehren, Wachstum zu generieren und damit die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.
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Moody’s mit generativer KI von Microsoft
Von Dr. Oliver Everling | 29.Juni 2023
Moody’s Corporation und Microsoft entwickeln verbesserte Risiko-, Daten-, Analyse-, Forschungs- und Kollaborationslösungen auf Basis generativer KI. Moody’s gelingt damit eine strategische Partnerschaft für Lösungen der nächsten Generation, die auf Microsoft Azure OpenAI Service, Microsoft Fabric und Microsoft Teams sowie proprietären Daten von Moody’s basieren.
Moody’s und Microsoft gaben heute eine neue strategische Partnerschaft bekannt, um Daten-, Analyse-, Forschungs-, Kollaborations- und Risikolösungen der nächsten Generation bereitzustellen. Das Angebot zielt auf Finanzdienstleister und „globale Wissensarbeiter“. Aufbauend auf einer Kombination aus den robusten Daten- und Analysefunktionen von Moody’s und der Leistungsfähigkeit und Größe des Microsoft Azure OpenAI Service schafft die Partnerschaft innovative Angebote, die Einblicke in Unternehmensinformationen und Risikobewertung verbessern, unterstützt durch Microsoft AI und verankert durch Moody’s proprietäre Daten, Analysen und Forschung.
Microsoft und Moody’s entwickeln gemeinsam neue Produkte und Dienste für Forschung und Risikobewertung, die auf dem Azure OpenAI Service für ein verbessertes Daten- und Risikomanagement basieren.
„Moody’s CoPilot“, ein internes Copilot-Tool, wird jetzt bei Moody’s 14.000 Mitarbeitern weltweit eingesetzt und wird Moody’s proprietäre Daten, Analysen und Forschung mit den neuesten großen Sprachmodellen (LLMs) und der erstklassigen generativen KI-Technologie von Microsoft kombinieren, um die Mitarbeiterproduktivität in einer sicheren digitalen Sandbox zu steigern.
Moody’s führt Microsoft Teams ein, um seinen Wissensarbeitern und Kunden eine neue Plattform bereitzustellen, die die Zusammenarbeit, Produktivität und Kommunikation verbessert und gleichzeitig die höchsten Compliance-Standards einhält.
Für den internen Gebrauch und Co-Innovationen nutzt Microsoft die breite Palette an Lösungen von Moody’s, darunter die Moody’s Orbis-Datenbank – eine der weltweit leistungsstärksten Datenbanken für Unternehmen – mit Anwendungen, die Referenzdaten von Drittanbietern, Risikobewertung von Gegenparteien und Lieferkettenmanagement umfassen.
Microsoft und Moody’s werden bei der Möglichkeit zusammenarbeiten, ihren gemeinsamen Kunden Daten über Microsoft Fabric bereitzustellen, eine neue Analyseplattform für die End-to-End-Datenverwaltung.
Moody’s verpflichtet sich, die Cloud-Plattform Azure von Microsoft zu nutzen, um sein wachsendes Angebot generativer KI-Funktionen und cloudbasierter Anwendungen voranzutreiben.
Rob Fauber, Präsident und CEO der Moody’s Corporation, sagte: „Generative KI bietet eine einmalige Chance, die Art und Weise zu verbessern, wie Unternehmen in der sich ständig weiterentwickelnden Welt exponentieller Risiken navigieren. Durch die Kombination der hochmodernen KI-Funktionen von Microsoft mit unseren proprietären Daten, Forschungsergebnissen und Analysen ist Moody’s in der Lage, die nächste Generation der Risikoanalyse anzuführen und unseren Kunden dabei zu helfen, bessere Entscheidungen zu treffen, indem wir tiefere, integriertere und unübertroffene Risikoperspektiven erschließen. Wir haben unsere 14.000 Mitarbeiter weltweit aktiviert, um beispiellose Experimente durchzuführen und neue Innovationen in unserer Produkt- und Lösungspalette voranzutreiben. Wir freuen uns, mit Microsoft zusammenzuarbeiten, um den Standard dafür zu setzen, wie generative KI neue Fortschritte in unserer Branche vorantreiben wird.“
Ein neues Copilot-Tool für Kunden, „Moody’s Research Assistant“, wird das volle Potenzial der Ressourcen und Lösungen von Moody’s erschließen, um Kunden eine vielfältige Sicht auf Risiken zu bieten. Basierend auf dem Microsoft Azure OpenAI Service und verfügbar über mehrere Kanäle, einschließlich Microsoft Teams, kann Moody’s Research Assistant schnell komplexe Informationen aus mehreren Datenquellen zusammenstellen und zusammenfassen, und das alles in einer sicheren Umgebung, die private und geschützte Informationen schützt. Zu den vielen erwarteten Einsatzmöglichkeiten gehört die Möglichkeit, individuelle, detaillierte Analysen eines Unternehmens oder Sektors zu erstellen, indem Daten aus mehreren Dimensionen – wie Firmendaten, Kreditindikatoren, Wirtschaftsprognosen sowie Risiko- und Reputationsprofilen – nahtlos kombiniert werden, um schnelle, kontextbezogene und informative Antworten zu geben – basierend auf der Integration umfangreicher Large Language Models und branchenführender Daten, Analysen und Forschung von Moody’s.
Bill Borden, Corporate Vice President für weltweite Finanzdienstleistungen bei Microsoft, sagte: „Unsere Partnerschaft wird erstklassige Erkenntnisse von Moody’s mit den Fähigkeiten, dem Vertrauen und der Breite der Microsoft Cloud – einschließlich Azure OpenAI Service, Fabric und Teams – zusammenbringen, um die nächste Generation zu ermöglichen. Gen-Lösungen, die leistungsstarke Business Intelligence freisetzen und Produktivität und Zusammenarbeit verändern. Wir freuen uns auf die neuen Möglichkeiten und den Mehrwert, der für Mitarbeiter und Unternehmen in den Bereichen Banken, Kapitalmärkte und Versicherungen sowie in anderen Branchen wie Fertigung, Telekommunikation, Transport und Versorgung erbracht wird.“
Darüber hinaus wird Moody’s durch die Partnerschaft Microsoft Teams nutzen, um eine neue Zusammenarbeit, mehr Produktivität und eine Kommunikationsplattform für seine Wissensarbeiter und Kunden zu schaffen. Durch die Integration der Copilot-Tools von Moody’s werden Teams manuelle Arbeitsabläufe automatisieren und rationalisieren, einen effizienteren Zugriff auf Daten und Inhalte ermöglichen sowie Informationen aus mehreren Datensätzen synthetisieren und zusammenfassen, was zu besseren Erkenntnissen, verbesserter Produktivität und Compliance sowie verbesserter Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit führt.
Microsoft und Moody’s werden bei der Möglichkeit zusammenarbeiten, ihren gemeinsamen Kunden Daten über Microsoft Fabric, einer neuen End-to-End-Datenanalyseplattform, bereitzustellen. Microsoft Fabric umfasst Technologien wie Azure Synapse Analytics, Azure Data Factory und Power BI in einem einzigen einheitlichen Produkt und bietet Dateningenieuren die Möglichkeit, Daten aus mehreren Quellen einfach zu verbinden und zu kuratieren, wodurch eine Ausbreitung vermieden und die Daten im gesamten Unternehmen besser verwaltet werden können.
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Nachlassender Preisdruck in Sicht
Von Dr. Oliver Everling | 29.Juni 2023
Sowohl der ifo-Geschäftsklimaindex als auch die S&P Global-Einkaufsmanagerindizes zeichneten zuletzt das Bild einer sich weiter abschwächenden Konjunkturdynamik, sieht Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Besonders in der Industrie brachen nach Angaben des ifo-Instituts die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate ein, denn angesichts der globalen Industrierezession reduziert sich der Auftragseingang immer weiter und die Exporterwartungen der meisten Branchen gaben nach. Darunter leidet in Deutschland aufgrund einer sinkenden Nachfrage auch das Segment der Logistik- und Transportdienstleistungen.
„Noch positiv sind die Perspektiven für andere, konsumnahe Dienstleistungssegmente. So fielen“, führt Mumm weiter aus, „zwar die Einkaufsmanagerindizes sowohl in der Eurozone als auch in den USA leicht, befinden sich aber noch immer im expansiven Bereich oberhalb der Marke von 50 Punkten. Getragen wird der private Konsum vor allem von einer anhaltend sehr guten Beschäftigungslage. So berichten US-Dienstleistungsunternehmen weiterhin von Schwierigkeiten, frei gewordene Stellen zu ersetzen. Das KfW-ifo-Fachkräftebarometer zeigt für Deutschland entsprechend, dass die gesamtwirtschaftliche Konjunkturabkühlung im zweiten Quartal zwar für einen nachlassenden Fachkräftemangel gesorgt hat, noch immer berichten aber 40 Prozent der befragten Unternehmen, dass ein Mangel an Arbeitskräften deren Geschäftstätigkeit behindert. Mit rund 50 Prozent ist dieser Wert im Dienstleistungsbereich besonders ausgeprägt.“
Ausgehend von der schwachen Nachfrage im Industriesektor zeichnet sich aber auch ein nachlassender Preisdruck ab. Einerseits sinken die Einkaufs- und Produzentenpreise im Zuge fallender Energie- und Rohstoffpreise sowie funktionierender globaler Lieferketten. Andererseits sorgen fehlende Auftragseingänge erstmals seit der Wiederbelebung der Wirtschaft nach dem Corona-Einbruch für sinkende Verkaufspreise in der Industrie. Bei Dienstleistungen stiegen die Verkaufspreise zumindest weniger stark, während der wichtigste Kostenfaktor in dieser Branche, die Löhne, tendenziell weiter anstiegen. Damit bleibt ein in den kommenden Monaten zunehmender Margendruck wahrscheinlich, der zu verstärkten Gewinnrevisionen und kurzfristigen Rücksetzern an den Aktienmärkten sorgen dürfte.
Auch wenn mit zunehmendem Margendruck einer der wichtigsten Inflationstreiber der letzten Monate künftig relativiert wird, bleiben die meisten großen Notenbanken vorerst bei ihrem restriktiven geldpolitischen Kurs. Entsprechend äußerten sich in dieser Woche Vertreter der EZB, der US-Notenbank Fed und der Bank of England auf dem internationalen Notenbanken-Forum der EZB im portugiesischen Sintra. EZB-Präsidentin Lagarde verdeutlichte, dass als Kerninflationstreiber nunmehr die Entwicklung der Lohnstückkosten angesehen wird, denn höhere Löhne bei einer anhaltend hohen Beschäftigung – Unternehmen wollen Belegschaften angesichts des allgegenwärtigen Fachkräftemangels halten – und nachgebender Nachfrage lassen diese künftig ansteigen. Damit sind aus Sicht der Notenbanken weitere Leitzinsanhebungen sowie ein längeres Ausharren auf erhöhten Zinsniveaus notwendig, um die Inflationserwartungen auf dem angestrebten Niveau von 2 Prozent zu verankern.
Die deutlich gedämpften wirtschaftlichen Aussichten für die kommenden Monate sprechen allerdings dafür, dass die Inflationsraten bis zum Ende des Jahres eher stärker als von den Notenbanken erwartet nachgeben könnten. Daher könnte mit Blick auf den Jahreswechsel die Diskussion um mögliche Zinssenkungen im Laufe des ersten Halbjahres 2024 wiederaufkommen. Vor diesem Hintergrund rechnen wir im kommenden Halbjahr mit seitwärts tendierenden Renditen deutschen und US-Staatsanleihen bei längeren Laufzeiten. An den Aktienmärkten besteht nach einer Phase verstärkter Schwankungen in den Sommermonaten die Chance auf eine Stabilisierung der Kurse ab dem Herbst. Damit ist auch das Erreichen neuer Allzeithöchststände bei deutschen und europäischen Aktienindizes möglich, zumal ab 2024 mit einer wirtschaftlichen Stabilisierung zu rechne ist. Für den Wechselkurs des Euro im Vergleich zum US-Dollar rechnen wir mit einer Seitwärtsbewegung nahe der aktuellen Niveaus, denn wir gehen vorerst nicht von stark unterschiedlichen Zinspfaden in den USA und der Eurozone aus.
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Finanziell abhängig von Eltern: Generation Z und Millennials vor Herausforderungen
Von Dr. Oliver Everling | 27.Juni 2023
Mehr als die Hälfte der Generation Zers und Millennials[1] (54 %) halten sich selbst zumindest in gewissem Maße finanziell von ihren Eltern abhängig, wobei 23 % angeben, immer noch stark von ihren Eltern abhängig zu sein, so eine neu veröffentlichte Studie von Experian. Während die Generation Z einen höheren Prozentsatz an finanzieller Abhängigkeit von ihren Eltern hatte (61 %), hält sich fast die Hälfte (47 %) der Millennials immer noch für etwas oder sehr finanziell von ihren Eltern abhängig.
Laut einer Studie von Experian schämen sich zwei Drittel der jungen Verbraucher, wenn sie ihre Eltern um finanzielle Hilfe bitten müssen – ein Gefühl, das besonders auf Millennials zutrifft: 70 % geben an, dass sie sich schämen, wenn sie um Unterstützung bitten.
Während viele auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen sind, glauben 27 % nicht, dass ihre Eltern aus folgenden Gründen gute finanzielle Vorbilder sind: „Meine Eltern haben mir nichts über persönliche Finanzen beigebracht“ (37 %). „Meine Eltern vermieden es, mit mir über Geld zu reden“ (16 %). „Meine Eltern haben/hatten schlechte Ausgabegewohnheite“n (44 %).
Achtzig Prozent der Generation Zers und Millennials glauben, dass eine fundierte Kredithistorie der Schlüssel dazu ist, finanziell weniger von ihren Eltern abhängig zu sein, und laut zuvor veröffentlichter Studie von Experian versuchen fast ebenso viele aktiv, ihre Kreditwürdigkeit zu verbessern.
„Kredit kann ein finanzielles Instrument sein, das uns hilft, viele der Dinge zu erreichen, die wir uns im Leben wünschen, einschließlich der finanziellen Unabhängigkeit von unseren Eltern“, sagte Christina Roman, Managerin für Verbraucherbildung und Interessenvertretung bei Experian. „Wir verfügen über Ressourcen, um Verbrauchern dabei zu helfen, ein finanziell besser aufgestelltes Leben zu führen. Unser Ziel ist es, Verbraucher mit Tools und Bildung zu versorgen, um allen Menschen finanzielle Macht zu verschaffen.“
Neben der begrenzten Erfahrung mit Krediten können die Ausgabegewohnheiten der Generation Z und der Millennials ein weiterer Faktor sein, der dazu führt, dass sie sich zwecks finanzieller Unterstützung auf die Eltern verlassen. Mehr als die Hälfte (57 %) gibt an, dass es ihnen schwerfällt, „Nein“ zu sagen, wenn sie einen Impulskauf für etwas tätigen, das sie sich wünschen, aber nicht brauchen. Dies gilt insbesondere für die männlichen Millennials: 62 % gaben an, dass sie mit Impulskäufen zumindest etwas zu kämpfen haben.
Ebenso gaben 61 % der Generation Z und der Millennials an, dass sie jetzt lieber Geld für Erlebnisse (wie Reisen, Konzerte usw.) ausgeben, anstatt für den Ruhestand zu sparen. Viele dieser jungen Verbraucher suchen jedoch nach Möglichkeiten, Kosten zu senken. 57 % geben an, dass sie erwägen, ihre Online-Unterhaltungsabonnements zu kürzen, um Geld zu sparen.
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Reality Check für zweite Jahreshälfte angekündigt
Von Dr. Oliver Everling | 26.Juni 2023
Das Thema Künstliche Intelligenz hat in den vergangenen Wochen die Fantasie der Anleger entfacht, schreibt Dr. Eduard Baitinger, seit 2015 Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe, in seinem FERI Markets Update Juni 2023: „Umsatzmultiplikatoren für einzelne Unternehmen im zweistelligen Bereich sind dabei klare Zeichen eines regelrechten KI-Hypes. Nachdem an den globalen Börsen vielfach neue Jahreshochs erreicht wurden, scheint nun eine taktische Konsolidierungsphase immer wahrscheinlicher.“Besonders am US-Aktienmarkt sind die Erwartungen hoch, dass viele Unternehmen in Zukunft von der KI-Revolution profitieren werden. In Europa ist man in dieser Hinsicht zurückhaltender. Dow Jones, Nasdaq 100, S&P 500 und Co. haben die europäischen Börsen daher zuletzt klar hinter sich gelassen. „Zudem leidet die Exportwirtschaft in Europa besonders darunter,“ so Eduard Baitinger, „dass die chinesische Konjunktur keine Dynamik entfaltet und Nachfrageimpulse von dort ausbleiben.“
Ganz anders sieht er derzeit die Situation in Japan. Dort haben Aktien nach sehr langer Zeit mal wieder einen großen Sprung nach vorne gemacht. Die japanischen Unternehmen profitieren von robusten gesamtwirtschaftlichen Aussichten und von einer weiterhin ultra-expansiven Zentralbank. Entgegen dem globalen Trend, bleibt die Bank of Japan beim Nullzinsregime und lässt sich mit der Normalisierung der Geldpolitik zur Überraschung der Marktteilnehmer viel Zeit.
„Anleger sollten nicht davon ausgehen,“ warnt der Anlagestratege, „dass sich die starke Börsenperformance der ersten Jahreshälfte einfach fortsetzt. Schließlich sind die Unternehmensgewinne nicht sonderlich gestiegen. Daran dürfte sich vorerst nichts ändern, denn die restriktive Geldpolitik wird erst in den kommenden Monaten ihre volle Wirkung entfalten. Auch die Inflationsgefahr ist noch längst nicht gebannt. Die sehr günstigen Basiseffekte der gesunkenen Energiepreise werden im zweiten Halbjahr größtenteils verpufft sein. Folglich wird die Inflation langsamer zurückgehen und eine Verlängerung der restriktiven Geldpolitik wahrscheinlicher machen. Damit dürften die Rezessionsrisiken wieder steigen. Professionelle Anleger sollten daher grundsätzlich defensiv aufgestellt bleiben. Im späteren Jahresverlauf könnten sich dann wieder neue selektive Chancen ergeben. Sobald die Märkte das Rezessionsszenario vollständig einpreisen, dürften vor allem konjunktursensitive Marktsegmente wieder ein attraktives Bewertungsniveau erreicht haben und damit günstige Einstiegsmöglichkeiten bieten.“
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Erholende Schwellenländer, stagnierende Industrienationen
Von Dr. Oliver Everling | 20.Juni 2023
Die Wachstumszahlen für die wichtigsten Volkswirtschaften zeigten zu Beginn des Jahres zunächst, dass das Rezessionsgespenst – mit Ausnahme von Deutschland – vorerst seinen Schrecken verloren hat. „Zum einen ist es Europa gelungen, eine Unterbrechung seiner Energieversorgung zu vermeiden. Zum anderen sorgt ein steigendes Konsumverhalten in Nordamerika und China für Stabilität. Und nicht zuletzt haben auch die Schwellenländer ihre Widerstandsfähigkeit bestätigt“, sagt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. All dies hat Coface veranlasst, die Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft im Jahr 2023 auf 2,2% nach oben zu korrigieren. Diese Faktoren spiegeln sich auch in den aktualisierten Länderrisiko-Einschätzungen wider: Coface hat 13 Hochstufungen vorgenommen, die hauptsächlich Schwellenländer betreffen. Demgegenüber stehen zwei Herabstufungen.
Das Wirtschaftswachstum in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften bleibt im Jahr 2024 auf einem niedrigeren Niveau, schwächere Zahlen aus den USA werden von einer leichten Erholung im Euro-Raum ausgeglichen. Die Schwellenländer hingegen dürften ihr Wachstum beschleunigen und mit 3,9% den stärksten Anstieg seit 2018 verzeichnen. Wichtigster Faktor hierbei wird die allmähliche Erholung der chinesischen Wirtschaft sein, von der Rohstoffexporteure profitieren. Coface stuft daher Energie exportierende Länder wie Saudi-Arabien (jetzt in A4), Katar (A3), Nigeria (C) und Kasachstan (B) herauf. Malaysia (A3) und die Philippinen (A4), die vom Zustrom chinesischer Touristen profitieren werden, kehren zu ihren Bewertungen von vor der Pandemie zurück. Der Trend zeigt jedoch nicht überall nach oben. Die Verschärfung der globalen Finanzierungsbedingungen hat vor allem Entwicklungsländer in die Gefahr eines Zahlungsausfalls gebracht, immer mehr Länder kämpfen mit Währungskrisen. Die ausländischen Devisenreserven reichen nur wenige Monate zur Begleichung der Importe aus dem Ausland aus. Im aktuellen Barometer stuft Coface Kenia auf C und somit in hohes sowie Bolivien auf D in sehr hohes Ausfallrisiko herab.
Auf der Liste der Hauptrisiken für die kommenden Monate steht nach wie vor eine anhaltende Inflation. Der Rückgang der Inflation in diesem Frühjahr war schon aus rechnerischen Gründen absehbar, da die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die Energiepreise in den meisten Volkswirtschaften abklingen und somit der hohe Preisdruck des letzten Jahres nicht aufrecht zu erhalten ist. Jedoch sind die Preise anderer Produkte im Aufwärtstrend, wodurch sich die Kerninflation – die Inflation ohne die volatileren Energie- und Nahrungsmittelpreise – im Euro-Raum, im Vereinigten Königreich und in den USA auf hohem Niveau stabilisiert hat. „Ein erneuter Anstieg der Inflationsraten ist nach wie vor möglich. Der Aufschwung in China hat noch nicht sein volles Potenzial erreicht und wird wahrscheinlich Druck auf den globalen Energiemarkt ausüben. Hinzu kommt ein etwas angespannterer Ölmarkt nach den von der OPEC+ angekündigten Produktionskürzungen“, sagt Christiane von Berg. Neben Energie lohnt sich ein Blick auf die Preise für Agrarrohstoffe: Während ihr Rückgang in den letzten Monaten nicht unbedingt auf die Verbraucherpreise durchgeschlagen hat, zeichnen sich bereits neue Aufwärtsrisiken ab. Neben dem Krieg in der Ukraine, der weiter Druck ausüben wird, rechnen Experten ab der zweiten Jahreshälfte 2023 mit dem Klimaphänomen El Niño. Es könnte aufgrund von wärmeren Temperaturen und starken Wasserdefiziten in einigen Teilen der Welt sowohl die Produktion als auch die Preise in den Jahren 2023 und 2024 beeinflussen.
Die Auswirkungen der beispiellosen Straffung der Geldpolitik in den vergangenen Monaten auf die Inflation sind noch weitgehend unklar, insbesondere was Dienstleistungspreise betrifft. Letztere steigen immer noch auf einem Niveau, das kaum mit dem Inflationsziel von 2 Prozent vereinbar ist. Dennoch haben einige der wichtigsten Zentralbanken beschlossen, die Zinserhöhungen auszusetzen – angefangen bei der Bank of Canada oder der Reserve Bank of Australia. Die amerikanische Federal Reserve macht zwar eine kurzfristige Pause, kündigte aber weitere Schritte in der zweiten Jahreshälfte an. „Darüber hinaus sind sowohl die Bank of England als auch die EZB in diesem Sommer noch auf Anhebungskurs“, so Christiane von Berg.
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