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Playbook für mehr Sinn im Unternehmen

Von Dr. Oliver Everling | 2.Juni 2022

Wer im deutschen Amazon nach einem „Playbook“ sucht, erhält an erster Stelle einen Ratgeber, wie man(n) „spielend leicht Mädels klarmachen“ kann. Die Übersetzung des Wortes „Playbook“ durch Google Translator mit „Spielbuch“ passt wohl eher auf den genannten als auf den folgenden Titel: „Playbook Purpose Driven Organizations: Der Navigator für Purpose Drive in Ihrem Unternehmen“ von den Autoren Franziska Fink und Michael Moeller, denn hier ist „Playbook“ wohl besser mit „Arbeitsbuch“ übersetzt.

Das schmälert allerdings nicht den Spaß an der Lektüre und schließt auch nicht einen spielerischen Zugang zu Fragen aus, wie Unternehmen über Sinn und mit mehr Sinn gesteuert werden können. Aus der langjährigen Beratungspraxis mit Unternehmen verschiedener Branchen erzählen die beiden, wo die Knackpunkte sind, und wollen helfen, „Ihre Arbeit mit Purpose maßzuschneidern“.

Das Buch kommt jedem in die Quere, der sich mit den üblichen Statements von „Mission“, „Vision“ und „Strategie“ für Unternehmen nicht befriedigt sieht. Dazu passt das Querformat des Buches im Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern und Recht. Das Format verleiht dem Leser ein wenig das Gefühl, nicht bloß ein Buch in der Hand zu halten, sondern aktiver Teilnehmer eines Seminars zum Thema zu sein. In Farbe finden sich zahlreiche Illustrationen, die ein intuitives Verständnis der Materie erleichtern.

Das Thema „Purpose“ ist keine Erfindung von Franziska Fink und Michael Moeller, sondern wird auch von Beratern wie Kienbaum aktiv beackert. Kienbaum hat in der Wirtschaft nachgefragt – mehr als 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben geantwortet. Der aus der Kienbaum-Befragung resultierende Studienbericht „Purpose. Die große Unbekannte.“ gab auch Franziska Fink und Michael Moeller Einblicke in eines der Top-Themen unserer Zeit.

Existenzgründer und NGOs sind nach Erkenntnissen von Kienbaum besonders empfänglich dafür, ihrer Organisation einen „Purpose“ zuzuschreiben, während offenbar im Mittelstand, der ums Überleben kämpft, sich die Frage nach dem Sinn nicht aufdrängt. Im Mittelstand „sagt die Hälfte der Mitarbeitenden: Unser Unternehmen verfolgt kein Why“, berichten Franziska Fink und Michael Moeller.

Neu ist das Thema nach Urteil der beiden nicht, denn die „Systemtheorie nach Niklas Luhmann beschreibt schon in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts Sinn als Supermedium für soziale Systeme“. Daher befassen sich Franziska Fink und Michael Moeller in ihrem Arbeitsbuch kurz auch mit der Systemtheorie als einem Modell der Soziologie und ordnen „Purpose“ ein.

Purpose sei ein „Filter, um zwischen dem Aktuellen und dem Möglichen zu unterscheiden.“. Franziska Fink und Michael Moeller benutzen für ihren Ansatz das englische Wort „Purpose“, denn darunter verstehen sie die bewusste Ausformulierung dieses Sinnfilters als inneren Kompass einer Organisation. Die Formulierung eines „Purpose“ sehen sie nicht als bloßen Marketing-Gag, so, wie sich heute Unternehmen etwa nach außen auch ein Gewand der „Nachhaltigkeit“ geben, sondern sehen Purpose nach innen gerichtet.

„Der Purpose ist vor allem nach innen wichtig, er dient Mitarbeitenden und Führungskräften als zentrale Orientierung ihrer Arbeit. Kundinnen, Lieferantinnen oder Mitbewerberinnen müssen ihn nicht kennen“, heißt es im ersten Kapitel des Buches, das Purpose als die Triebfeder beschreibt: „Welchen Beitrag ein Unternehmen für die Gesellschaft und das Gemeinwohl leistet und welche Wirkung es erzielen will. Purpose wird die übergeordnete Orientierung, an der Organisationen, Teams und Mitarbeitende ihre Entscheidungen messen und ausrichten können.“

Im zweiten Kapitel fragen Franziska Fink und Michael Moeller danach, wie „Purpose Driven Organizations“ funktionieren und blicken hinter die Kulissen. Organisationen nutzen drei Arten von Entscheidungsprämissen als Korridore, die wiederum mit den Merkmalen Zwecke, Hierarchie und Mitgliedschaft zusammenhängen: Entscheidungsprogramme, Kommunikationswege und Personal. Eine vierte Art von Entscheidungsprämisse sehen sie in der Kultur der Organisation, die nicht entscheidbar sei, sondern sich im Lauf der Zeit durch informelle Praktiken herausbilde, denn die Kultur umfasse Verhaltensweisen, die sich durch Wiederholung zu Gewohnheiten und Erwartungen verfestigen. So verankern sich im Unternehmen Werte und Normen, Einstellungen, Glaubenssätze und Grundannahmen als „nicht-entscheidbare“ Entscheidungsprämissen und wirken als starker Korridor für Kommunikation und Entscheidungen, ohne dass sie explizit ausgesprochen oder entschieden würden.

Um zu beweisen, wie „Purpose“ aufs Geschäft und auf die Mitarbeitenden wirkt, haben Franziska Fink und Michael Moeller eine Reihe von Studien angehäuft und verweisen auf diese in zahlreichen nützlichen Links. Voraussetzungen für Erfüllung im Job sind für Mitarbeitende offenbar Entwicklungschancen, sinnvolle Beziehungen und Gestaltungsmöglichkeit.

Das vierte Kapitel mit der Überschrift „Wie wird man zu einer Purpose Driven Organization?“ hätten die Autoren vielleicht am liebsten damit beantwortet: Indem man Franziska Fink und Michael Moeller als Berater beauftragt. So einfach machen sie es sich jedoch nicht, sondern erläutern aus ihrer Erfahrung mit Purpose-Unternehmen, „wo die Stolpersteine und die Hebelpunkte liegen. Wenn Sie bereits unterwegs sind, steigen Sie dort ins Playbook ein, wo Sie sich aktuell befinden. Die Schritte linear zu machen, lohnt sich, aber wenn Sie die Reihenfolge anders wählen, kommen Sie auch zum Ziel.“

Der Rest des Buches – und damit der größte Teil des Playbooks – befasst sich detailliert mit den fünf Phasen der Transformation. Wer es in seinem Unternehmen ernst meint und im unternehmerischen Handeln einen Purpose verfolgen will, wird nicht umhinkommen, eine Anleitung wie die des Playbooks zur Hand zu nehmen.

Franziska Fink und Michael Moeller fügen ein Nachwort hinzu und enden mit den Sätzen: „Es liegt an mir selbst, in eine Haltung zu wachsen, die Liebe heißt. Die Liebe zu den Bruchstellen und großen Problemen unserer Zeit. Wie kann ich sie annehmen, so wie sie sind, und mich mit dem tiefen Sinn verbinden, der mich leitet. Aus dieser Überzeugung beginne ich, für Ziele aktiv zu werden, die über Organisationen, Grenzen, Ausgrenzungen und Abgrenzungen hinausgehen. Vielleicht treffen wir uns ja in dieser Schule der Transformation!“

Themen: Charityrating, Existenzgründerrating, Governancerating, Managementrating, Nachhaltigkeitsrating, Rezensionen | Kein Kommentar »

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