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Verbraucher müssen sich warm anziehen

Von Dr. Oliver Everling | 7.November 2023

Seit einigen Monaten gibt es Anzeichen für eine Entspannung an der Inflationsfront. „Die Mehrheit der Verbraucher sieht jedoch noch keine Verbesserung bei der Preisentwicklung. Wir gehen davon aus, dass dies die Verbraucherausgaben in den kommenden Monaten bremsen dürfte“, schreibt Guillaume Chieusse, Leiter aktive Aktienstrategien der ODDO BHF Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar. In den nächsten Monaten dürften bei Verbrauchern daher einer kürzlich veröffentlichten Studie von JP Morgan zufolge eher günstigere Anschaffungen wie Kleidung und Schönheitspflege oben auf der Ausgabenliste stehen. Reisen und Heimwerkerbedarf stehen dagegen weiter unten auf der Prioritätenliste.

„Die Inflation hat sich innerhalb eines knappen Jahres zwar fast halbiert, liegt mit knapp 5 % jedoch immer noch weit über dem, was europäische Verbraucher gewohnt sind“, erklärt der Portfoliomanager. Dass besonders jene Haushalte mit einem niedrigen Einkommen weiterhin stark besorgt sind, dürfte demnach keine Überraschung sein. Gemäß der Umfrage planen 44 % der Verbraucher, ihre diskretionären Ausgaben in den nächsten 12 Monaten zu senken, 17 % davon deutlich. Dies könnte das für viele Einzelhändler wichtige letzte Quartal aus Ergebnissicht belasten.

Das Kaufverhalten der Konsumenten hat sich durch die inflationären Preissteigerungen verändert. Gemäß der Umfrage von JP Morgan verbessern sich die Aussichten für die Ausgaben in den Bereichen Schönheitspflege und Bekleidung. Letztere rückt auf der Prioritätenliste auf Platz 2, gleich hinter Restaurantbesuchen. Dabei achten mehr als die Hälfte der Verbraucher auf reduzierte Ware, um zu sparen. Preissenkungen würden jedoch nur bei einem Viertel der Verbraucher zu Mehrkäufen führen. Guillaume Chieusse gibt zu bedenken: „Für Verbraucher mögen sinkende Preise zwar zur Entspannung beitragen, doch die Marge von Einzelhändlern mit begrenzter Preissenkungsmacht (wie etwa H&M* und ASOS) könnte unter Druck geraten, sollten die Preise in der Branche fallen.“ Ausgaben für Schönheitspflege dürften relativ wichtiger werden, absolut gesehen jedoch auf bescheidenem Niveau verharren.

Essenslieferanten wie HelloFresh sind von den geplanten Kosteneinsparungen der Konsumenten weniger betroffen. Besonders in Deutschland und Großbritannien ziehen weniger Verbraucher in Erwägung, ihre Ausgaben für Essenslieferungen zu reduzieren. Ein Grund könnte die Preisstrategie sein. So haben Lieferservices ihre Preise oftmals geringer angehoben als Super- und Hypermärkte, so Chieusse. „Der Sektor für Essenslieferungen könnte sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld am Ende defensiver als erwartet zeigen.“

Auf der Seite der „Verlierer“ ist der Tourismussektor zu nennen, der einen sehr starken Rückgang bei der Ausgaben-Priorisierung der Konsumenten verzeichnet und nur noch bei jedem vierten Verbraucher unter den Top3-Konsumprioritäten rangiert. Noch drastischer fällt der Rückgang bei Kurzurlauben aus. „Es gibt immer saisonale Schwankungen, wenn es um Tourismus geht. Allerdings belasten die stark gestiegenen Flug- und Hotelpreise wahrscheinlich das Budget vieler Haushalte und sind wohl auch die Erklärung für die Entscheidung, Kurzurlaube noch weiter zu reduzieren. Dies betrifft insbesondere den britischen Markt und könnte daher 2024 ein negatives Signal für Akteure wie EASYJET darstellen“, so der Fondsmanager des ODDO BHF Active Small Cap.

Insgesamt sieht ODDO BHF Asset Management die Aussichten für Heimwerkerprodukte gemischt. Zwar ist deren Stellenwert leicht gestiegen, sie belegen in der Umfrage aber immer noch die hinteren Ränge. Dabei waren von Land zu Land unterschiedliche Trends zu beobachten: Während in England weniger Verbraucher beabsichtigen, ihre Ausgaben in dem Segment zu reduzieren, ist die Entwicklung in Frankreich gegenläufig. Einige Unternehmen wie HORNBACH in Deutschland oder KINGFISHER (Großbritannien & Frankreich) warnten, dass ihre Aussichten für 2023 wahrscheinlich schwächer als erwartet ausfallen würden. „Der Heimwerker-Sektor hat stark von den Lockdowns profitiert, da viele Haushalte in die Verschönerung ihres Zuhauses investiert haben. Davon, dass sich diese Nachfrage wieder normalisiert, war auszugehen“, relativiert der Portfoliomanager der ODDO BHF. „Der rückläufige Wohnungsneubau und der starke Einbruch bei Immobiliengeschäften tragen sicherlich ihr Übriges zu einer Kaufzurückhaltung bei.“

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