Die große Fondslüge
Von Dr. Oliver Everling | 15.Oktober 2016
Kann man sich umfassender mit den Mächtigen der Finanzindustrie anlegen als Dr. Michael Ritzau? Das ist wohl schwer vorstellbar. Schon auf dem Cover seines Buches „Die große Fondslüge“ aus dem Tectum Verlag werden die Profiteure eines Systems genannt, das – flankiert durch die Medien – für die Umverteilung von Milliarden Ersparnissen aus den Konten ahnungsloser Sparer auf die Ertragskonten von Sparkassen, Banken wie auch einzelnen Ratingagenturen unter Billigung einer großen Koalition von Politikern sorgt.
Während Bankenschelte ja nichts Neues ist und auch die vergleichsweise wehrlosen, da in Deutschland nur wenige hundert Mitarbeiter beschäftigenden Ratingagenturen gerne als Buhmänner herangezogen werden, wagt es Michael Ritzau, höchste Tabus der obersten deutschen Politik zu brechen. Es gehört schon einiger Mut dazu, nicht nur das Ansehen der dem Gemeinwohl dienenden Sparkassen zu ramponieren, sondern auch das der ehrenwerten Stiftung Warentest, die – der Gemeinnützigkeit verpflichtet – aufgrund eines staatlichen Auftrags und gefördert mit Steuermitteln mit ihrer Marke „Finanztest“ Verbrauchern Vertrauen in Finanzprodukte einflößt. Mit seinem Hauptkapitel „Der große Test der Finanztest-Fondsempfehlungen“ bringt Michael Ritzau die Ikone der deutschen Produkttester in einen Erklärungsnotstand.
Mit einer umfassenden „Medienschelte“, wie er es selber nennt, riskiert der promovierte Michael Ritzau zudem, auch noch mit seinem Buch von all denjenigen Medien bestenfalls ignoriert zu werden oder schlechte Rezensionen zu kassieren, die doch so gut an den Werbeeinnahmen aus den Inseraten der Fondsindustrie verdienen. Michael Ritzau gibt Beispiele der Mitwirkung an der „großen Fondslüge“ für Die Welt, Focus Money, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Euro am Sonntag usw. Michael Ritzau verschont in seiner Kritik nicht einmal Bildungspolitiker, Lehrer und Hochschullehrer, die dafür sorgen, dass in Deutschland die Hochschulreife nur erlangen kann, wer Gedichte zu analysieren vermag, aber nicht auch Finanzbildung vermittelt wird. „Zu einem Schwindel gehören immer zwei: Derjenige, der beschwindelt, braucht jemanden, der sich beschwindeln lässt“, so Michael Ritzau.
Wer ein solches Buch wie das von Michael Ritzau schreibt, das im heutigen Niedrigzinsumfeld eine der letzten verlässlichen Ertragssäulen des Bankgewerbes attackiert, landet mit seinem Buch auf dem Index und als Person auf den schwarzen Listen von Sparkassen- und Bankenverbänden, mit denen die Mitgliedsinstitute von der Einladung von für Kundenveranstaltungen „weniger geeigneten“ – da politisch unerwünschten – Referenten abgehalten werden. So dürfte der bis 2012 noch als Stiftungsratsvizepräsident der Novartis Pensionskassen II in Basel tätige Michael Ritzau zu den Aussteigern der Branche gezählt werden. Er ist heute nach eigenen Angaben als selbständiger bankenunabhängiger Honorarberater tätig.
Das Buch packt das Interesse des Lesers im Urteilsstil, denn die Quintessenz lernt der Leser schon in der Einleitung (im Gegensatz zum Gutachtenstil wird das Ergebnis im Urteilsstil vorangestellt). „Die Fondsanbieter leiten uns – um ihre Gebühreneinnahmen zu maximieren – bewusst in die Irre mit irrelevanten Informationen über Wertentwicklungen in der Vergangenheit. Gleichzeitig verschweigen sie uns, dass die Kosten die einzig relevanten Daten bei Fonds sind“, schreibt Michael Ritzau und ist überzeugt, dass die Rolle des Zufalls notorisch unterschätzt wird.
Michael Ritzau weiß zwischen Ratingagenturen und der Stiftung Warentest zu differenzieren. So darf man es immerhin bei aller Kritik an den Ratingagenturen als eine Abschwächung seines Vorwurfs der „Lüge“ betrachten, wenn er schreibt: „Da haben wir die Produzenten der Fondsratings, die meist zugeben, dass ihre Ratings nichts über die zu erwartende Wertentwicklung eines Fonds aussagen, …“ Die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Stiftung Warentest dagegen lotse ihre Leser konsequent in überteuerte Zufallsgewinner. „Verantwortlich sind aber auch Politiker in Berlin und Brüssel, von denen zu wenige unabhängig von den Einflüsterungen der Finanz- und Fondsindustrie entscheiden.“ Michael Ritzau unterstreicht, mit seinem Buch keine generelle Kapitalismuskritik vorlegen zu wollen. „Die Kritik an der Fondslüge kann man gleich gut von einem marktliberalen Standpunkt wie aus Verbraucherschutzperspektive begründen.“
Bei aller fachlichen Fundierung der Ausführungen von Michael Ritzau dürfen nicht alle seine Formulierungen auf die Goldwaage gelegt werden. So schießt er zum Beispiel über das Ziel einer sachlichen Aufklärung von Privatanlegern mit der Behauptung hinaus, dass Fondsratings nichts über die zukünftige Wertentwicklung von Fonds aussagen würden. Gut geratete Fonds bleiben von einer Periode zur anderen mit höherer Wahrscheinlichkeit in derselben guten Kategorie, während schlechte Fonds mit höherer Wahrscheinlichkeit schlecht bleiben. Die Korrelation mag gering sein, aber sie ist nicht gänzlich zu negieren.
Michael Ritzau rechnet vor, dass schon nach dem Zufallsprinzip eine beachtliche Anzahl von Fonds der führenden Fondsgesellschaften Allianz Global Investors, Deka, DWS und Union Investment in den obersten Ratingkategorien landen würden, da diese Gesellschaften eine sehr große Anzahl von Fonds anbieten. Daraus leitet sich für diese Gesellschaften selbst dann ein Nutzen aus den Dienstleistungen von Ratingagenturen ab, wenn diese Ratings keinerlei Aussagekraft besäßen. Michael Ritzau liefert mit dieser Argumentation zwar eine plausible Erklärung dafür, wieso sich auch fragwürdige Ratinganbieter und „Tester“ im Markt für Fondsratings halten können, aber keinen Beweis dafür, dass die Ratings seriöser Agenturen gewürfelt wären. Mit derselben Argumentation könnte man auch sonst jedes Schulnotensystem aus den Angeln heben – was wohl kaum der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht. Bei aller Fehlerhaftigkeit der Messverfahren lassen sich nun einmal bessere von schlechteren Leistungen unterscheiden, auch wenn dem einen oder anderen die Noten missfallen.
Den führenden Agenturen sind die Probleme ihrer Ratings in der Praxis der Anlageberatung privater Anleger durchaus bewusst. In Studien und auf einschlägigen Fachkonferenzen werden diese auch immer wieder thematisiert. So strömt die Masse der privaten Anleger erst dann in die top gerateten Fonds, wenn diese durch spektakuläre Wertsteigerungen oder als Bestqualifizierte im Rahmen von Award-Verleihungen auffallen. Bleibt dann der weitere Kursanstieg aus oder es kommt sogar zu Rückgängen der Performance, schichtet die Masse der Anleger wieder um und realisiert Verluste. Welche Rolle dabei die Bank- oder Finanzberatung spielt, sei dahingestellt. In jedem Fall ist dieses Phänomen nicht dem Rating selbst vorzuwerfen, sondern dem unreflektierten Umgang mit Ratings.
Selbst eine der führenden US-amerikanischen Ratingagenturen, Morningstar, „gebe mehr oder weniger unumwunden zu“, so Michael Ritzau, dass ihr Sterne-Rating nur die Vergangenheit bewertet. Er zitiert zudem die Klarstellung der Ratingagentur, dass Ratings keine Kaufempfehlungen darstellen. Diesen Hinweis geben übrigens aufgrund der Logik der Sache alle seriösen Ratingagenturen. Michael Ritzau glaubt nun sogar einen umgekehrten Zusammenhang zu sehen: Je besser das Morningstar Rating, desto schlechter die Performance. Was Michael Ritzau verschweigt: Wenn dieser Zusammenhang wirklich stabil wäre, könnten Anleger aus diesem Wissen Nutzen ziehen. Dies stünde aber im Widerspruch zu der These, dass die Ratings keinerlei informativen Nutzen haben. Auf diesen möglichen Widerspruch in seinem empirischen Befund geht Michael Ritzau nicht ein.
Mit Blick auf die Ratingagentur Lipper Leaders spricht Michael Ritzau von „sinnlosen Pünktchen statt nutzlosen Sternchen“. Dem aufmerksamen Leser wird allerdings auch in diesem Kapitel erfreulicherweise klar, dass Michael Ritzau auch diese Agentur vom Vorwurf der Lüge freisprechen muss. So stellt der Autor korrekt dar, dass es sich bei diesem System lediglich um ein Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung bei der Auswahl von Investmentfonds handelt.
Als Kritik an den Feri Fondsratings, den Ratings aus dem Hause einer MLP Tochter in Bad Homburg, hat Michael Ritzau kaum mehr als allgemeine Skepsis zu präsentieren, da diese Ratings doch irgendwie von Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften finanziert würden. Michael Ritzau fragt: „Wo ist die Benchmark?“ Er glaubt einen Kritikpunkt darin erkennen zu können, dass die Feri aktiv gemanagte Fonds mit aktiv gemanagten Fonds vergleicht. Soll ein Ratingsystem nach Meinung von Michael Ritzau nur deshalb schlecht sein, weil einerseits Äpfel mit Äpfel und andererseits Birnen mit Birnen verglichen werden?
Michael Ritzau macht u.a. Ratingagenturen zur Zielscheibe seiner Kritik, da er nicht fragt, welche Transparenz im Markt für Investmentfonds ohne die Arbeit von Ratingagenturen gegeben wäre. Gäbe es die Ratingagenturen nicht, stünden auch ihm diese wichtigen Informationsquellen nicht zur Verfügung, auf die er doch auch sein Buch stützt. Wer sich gegen die Geschäfte von Ratingagenturen ausspricht, statt einfach nur bessere Ratingmethoden zu fordern, sägt an dem Ast, auf dem er sitzt.
„Das Provisionssystem ist eine der wichtigsten Stützen der großen Fondslüge“, analysiert Michael Ritzau. Dem „Sparkassen-Lobbyverband sei keine Begründung zu fadenscheinig, kein Argument zu konstruiert“, um das Provisionssystem zu verteidigen. Der Autor des Buches rechnet vor, dass kaum ein Fonds ohne empfindliche Performancenachteile gegenüber Indexfonds die gewaltigen Kosten zu tragen vermag, die die Sparkassen und Banken ihren Kunden in Form von Provisionen aufbürden.
Michael Ritzau favorisiert Exchange Traded Funds (ETFs), die dem Anleger bei minimalen Kosten erlauben, an den gegenüber Spareinlagen bei Banken höheren Renditen an den Kapitalmärkten teilzuhaben. Die riesigen Provisions- und Kostenbelastungen aktiv gemanagter Fonds lassen es nicht zu, dass diese Fonds in ihrer Mehrzahl die Performance von Indexfonds überbieten würden. Den Beweis, dass auch Volksbanken und Raiffeisenbanken an der „Fondslüge“ mitwirken sieht Michael Ritzau schnell erbracht. Vergeblich suche man auf Webseiten der Genossenschaftsbanken nach Empfehlungen für die kostengünstigeren Anlagealternativen, namentlich der ETFs.
Wer nun als Dachfondsmanager hofft, von Michael Ritzaus beißender Kritik verschont zu bleiben, geht fehl – sein Fazit zu diesen Produkten: „Dachfonds haben eine doppelte Gebührenstruktur! … Dachfonds sind so überflüssig wie ein Kropf und machen nur für die Fondsgesellschaften Sinn, weil sie ihre Gebühreneinnahmen steigern.“ Vernichtend sind – mit ähnlichem Kostenargument – auch seine Urteile über Mischfonds sowie fondsgebundene Versicherungen.
„Ungerechtfertigte Gebühren-Abzocke“ sieht Michael Witze auch bei den so gerecht klingenden „erfolgsabhängigen Gebühren“, da diese eben vom Erfolg, aber nicht von der Leistung abhängig sind. Der Anleger leidet bei diesen Gebührenmodellen der Banken in vollem Umfang unter Verlusten, während er sich die Gewinne mit den Managern teilen muss.
Ohne die Begriffe aus der Kognitionspsychologie zu verwenden, kommt Michael Ritzau auf die kognitive Verzerrung zu sprechen, sich systematisch falsch an frühere Vorhersagen zu erinnern, nachdem der Ausgang von Ereignissen erfahren wurde. Der Rückschaufehler wirkt sehr zugunsten der Fondsindustrie, denn in der Statistik bleiben immer nur die erfolgreichen Fonds übrig. Tausende von Fonds, die im Laufe ihrer Geschichte das Geld ihrer Anleger vernichteten und deshalb zusammengelegt oder geschlossen wurden, tauchen in den Datenbanken früher oder später nicht mehr auf. Nachvollziehbar stellt daher Michael Ritzau fest: „Der Survivorship Bias behinderte ganz konkret auch meine Untersuchungen in diesem Buch.“
Zu den Highlights des Buches gehören zwei Interviews mit Nobelpreisträgern: Eugene F. Fama und William F. Sharpe, die sich im März 2016 den Fragen des Buchautors stellten. Prägnanter als in diesen Interviews können die Probleme um Investmentfonds wohl kaum zum Ausdruck gebracht werden. Das Buch ist also lesenswert für jeden, der mit Investmentfonds Geld verdienen möchte.
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Rentenkürzungen unausweichlich
Von Dr. Oliver Everling | 11.Oktober 2016
Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Universität Bergen, hält sich nicht lange mit Vorrede auf. Auf den Investmentfondstagen der Börsen-Zeitung geht Raffelhüschen direkt in medias res. Seine Keynote widmet sich dem Thema „Zur Nachhaltigkeit des Staatshaushalts: Eine mathematische Perspektive“.
Raffelhüschen steigt mit einigen einfachen Rechnungen in das Thema ein. Ein großer Teil der Staatsschulden sei nicht sichtbar. „Zum Beispiel ich“, sagt Raffelhüschen. Wenn er noch ein „paar Jahre“ durchhalte, habe er – oder gegebenenfalls seine Frau – einen Anspruch gegen den Staat. Dieser sei sogar im Grundgesetz verankert, sei aber nirgends als Statsschuld verbrieft.
Raffelhüschen räumt mit der Vorstellung auf, dass die von der Bundesregierung ermittelte und verkündete Staatsverschuldung das volle Ausmaß zum Ausdruck bringen würde. Die Haushalte der Gebietskörperschaften reflektieren nicht die Versprechen, die diese gemacht haben.
Unternehmen müssen für jede eventuelle Verbindlichkeit gegebenenfalls Rückstellungen bilden. „Der Staat ist wie eine Frittenbude“, sagt Raffelhüschen, denn der Staat bilanziere nicht, genauso wie eine Frittenbude das Bilanzieren für überflüssig halte. Entsprechend gibt es keine Bilanzierung von Staatsschulden. Anders als bei Unternehmen gebe es beim Staat auch kein Insolvenzrecht. Daher falle es leicht, die Schulden zu ignorieren. Ein Unternehmen müsste längst schon Insolvez anmelden, wenn es ohne Aussicht auf entsprechende Erträge immer höhere Rückstellungen bilden müsse.
„Wir haben Alte zuviel, auch Unqualifizierte zuviel“, sagt Raffelhüschen. Die Pilzstruktur der Bevölkerungsentwicklung habe nichts mit demografischen Katastrophenpolitikern zu tun. Raffelhüschen betont, dass er nicht über unsichere Zukunft spreche, sondern über das Jetzt und Heute. „Politiker werden die Demografie nicht mehr ändern können. Es ist gelesen, gesetzt.“
„Wir haben die beste Gesundheitsversorgung in diesem Land die wir jemals hatten, teuer“, sagt Raffelhüschen. Doppelt so viele Rentner, drei Mal so viele Pflegefälle usw. – Raffelhüschen macht die zusätzlichen Belastungen klar, die auf Deutschland zukommen werden.
Wenn der Aktuar mit Versicherungsmathematik errechne, was später an Leistungen erbracht werden soll und heute an Beiträgen geleistet wird, wäre Nachhaltigkeit nur gewährleistet, wenn sich diese ausgleichen. „Wenn das, was wir wollen, mehr ist, als das, was wir zu zahlen bereit sind, haben wir eine Lücke“, warnt Raffelhüschen.
Raffelhüschen zeigt die Nachhaltigkeitslücke der Gesetzlichen Rentenversicherung von 1998 bis 2014 auf. Die zwischenzeitlichen „Reformen“ seien in Wahrheit praktisch nur Rentenkürzungen gewesen, die keiner als solche verstanden habe. Der Leitgedanke der Reform von Gerhard Schröder sei es gewesen, die Lasten auf die Schultern zu legen, die sie verursacht haben. Norbert Blüm wie auch Andrea Nahles glauben, einfach durch Beitragserhöhungen alles regeln zu können. „Andrea Nahles verteilt nur Geschenke“, kritisiert Raffelhüschen, denn von Nahles Geschenken würden nur einige langjährige Facharbeiter profitieren, nicht einmal Frauen.
„Hätte man die Fehler von Nahles nicht gemacht, hätte man alles in Ordnung.“ Raffelhüschen sieht sich mit seinen Kollegen aus den Wissenschaften einig, „bitte haltet das Thema Rente aus dem Wahlkampf heraus“. Denn wenn es zum Wahlkampfthema würde, käme garantiert das Gegenteil von dem heraus, was Deutschland brauche.
Die Beamtenversorgung werde durch eine „Tretminenstruktur“ gekennzeichnet. DIe Beamten- und Pensionärsentwicklung von 2012 bis 2050 zeigt eine noch extremere Form auf als die der Gesamtbevölkerung. Der Anteil der Frauen unter den Beamten sei deutlich gestiegen. Während die früher sterbenden Männer eher für Entlastung gesorgt hätten, rolle nun eine Welle von langlebigen Frauen auf das Pensionssystem zu. Die Schuldenbremse werde für keinen Staatshaushalt mehr einhaltbar sein.
80 % wegen verbriefter Staatsschuld, plus 60 % wegen Rente plus 30 bzw. 60 % wegen Beamtenversorung mache die tatsächliche Staatsverschuldung aus. Die Beamten allein seien ein ebenso schwerwiegendes Problem wie der gesamte Rest.Hinzu komen 80 bzw. 220 % wegen Gesundheit.
Raffelhüschen warnt, dass die längere Lebenserwartung nicht „vorne“, sondern „hinten“ erzielt werde, also bei eher pflegebedürftigen und kranken Menschen. Das echte, große Risiko sei die Beteiligung der Bevölkerung an dem technologischen Fortschritt im Gesundheitssektor. Raffelhüschen sieht voraus, dass man nur mit schönen Begriffen darüber hinweg täuschen werde, dass die Leistungen zu kürzen sein werden.
Die Alten von heute seien zum größten Teil noch zuhause gepflegt. Für die Pflege hätten diese allerdings zum größten Teil gar nichts oder wenig bezahlt, da die Pflegeversicherung erst 1995 eingeführt wurde. Die Soziale Pflegeversicherung wurde erst 1995 in Deutschland als ein eigenständiger Zweig der Sozialversicherung eingeführt und ist im Sozialgesetzbuch XI gesetzlich geregelt.
„Wir sind nicht in der Lage, unseren Sozialstaat für uns selbst aufrechtzuerhalten und wollen ihn nun auch noch mit der Welt teilen“, macht Raffelhüschen. Er vergleicht die aktuelle Situation der Staatsverschuldung mit einem Eisberg. Der gefährlichere Teil sei der, den man nicht sehe.
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Erfolgreich anlegen mit ETFs
Von Dr. Oliver Everling | 10.Oktober 2016
„Ihre einfache regelbasierte Geldanlage mit Exchange Traded Funds“ ist der Untertitel des neuen Buches aus dem FinanzBuch Verlag, „Erfolgreich anlegen mit ETFS“. Wer seine Geldanlage einfach machen möchte und sich dabei auf bewährte Regeln verlassen will, für den ist dieses Buch genau richtig. Dem FinanzBuch Verlag gelingt es mit diesem Titel erneut, ein hochaktuelles Thema den Lesern zu präsentieren. Die Erfolgsgeschichte dieser Fonds ist ungebrochen und erhält sogar weiteren Auftrieb dadurch, dass zahlreiche so genannte FinTechs von ETFs Gebrauch machen, um ihren Kunden das Sparen per Mausklick oder App auf dem Smartphone zu ermöglichen. Robo-Advisor kommen vielfach ohne ETFs gar nicht aus.
Das Buch kommt von einem Schweizer Pionier auf diesem Gebiet des regelbasierten investieren mit ETFs. Wie dieses System funktioniert und was es an Rendite bringt, zeigen fünf erfahrene Experten vom VZ Vermögenszentrum und dem FinTech-Unternehmen Dufour Capital in diesem Ratgeber. Diese Experten arbeiten insbesondere mit Momentum, relativer Stärke und Rebalancing. So sehr die Autoren die starren Annahmen und Modelle der neueren Finanzierungstheorie, die Portfoliotheorie und das Kapitalmarktmodell des CAPM ablehnen, so sehr befürworten sie auf der anderen Seite eine strikt regelgebundene Geldanlage, die deshalb emotionslos einem vorgegebenen System folgt.
Die Autoren halten die Anwendung naturwissenschaftlicher Modelle in der Kapitalanlage für unmöglich und verweisen ausgerechnet auf die Wettervorhersage, die sie für die Errungenschaft loben, bis zu einer Woche im Voraus das künftige Wetter zu erraten. Hier wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen, den auf Sicht nur einer Woche liegen auch viele kapitalmarkttheoretische Modelle erstaunlich richtig. Erinnert sei auch an die angeblichen Beweise der Erderwärmung. Die Naturwissenschaftler, die vor wenigen Jahren noch stets steigende Temperaturen vorausgesagt haben, sprechen heute nur noch von Klimawandel, was eigentlich eine Binsenweisheit ist und die Erdgeschichte immer schon kannte.
Eine Ironie der Geschichte der Geldanlage ist es jedenfalls, dass es gerade die Kapitalmarkttheoretiker waren, die Strategien populär gemacht haben, Marktindices zu folgen, denn heute werden solche Strategien auch von Kritikern der Kapitalmarkttheorie propagiert. Sie beziehen ihre Argumente allerdings aus einer neueren Richtung der Finanzierungstheorie, namentlich der Behavioural Finance. Diese beschäftigt sich insbesondere mit dem irrationalen Verhalten von Anlegern. Der Mensch ist nach letzterer Theorie kein homo oeconomicus, dem jedes Wechselbad von Gefühlen fremd wäre. Anleger entscheiden häufig aus dem Bauch heraus, neigen zu einem lockeren Umgang mit Gewinnen, gewichten leicht zugängliche Informationen höher, suchen Bestätigung für ihre Entscheidungen und entwickeln eine emotionale Bindung zu ihren Investitionen. Anleger haben größte Mühe, Verluste zu realisieren, und kaufen lieber dann, wenn auch andere kaufen.
Wissenswertes wird zum Beispiel wie folgt zusammengefasst: „Die meisten Modelle zur Vorhersage von Kursentwicklungen gehen davon aus, dass sich Menschen an den Finanzmärkten rational verhalten. Diese Annahme ist falsch: Das Verhalten der Anleger ist oft unberechenbar. Dieses unberechenbare Verhalten erschwert verlässliche Kursvorhersagen. Alternative Ansätze in der Geldanlage verzichten auf Vorhersagen von Kursentwicklungen. Sie betrachten historische Kursverläufe und stützen sich damit auf Fakten statt auf Prognosen. Kurse verlaufen oft in Trends. Als Anleger kann man sich diese Trends zunutze machen. Erfolgversprechend ist beispielsweise eine Anlagestrategie nach dem Prinzip der relativen Stärke. Sie lässt sich einfach umsetzen und investiert jeweils nur in jene Anlagen mit dem stärksten positiven Trend.“
Die Gratwanderung erscheint allerdings recht schmal zwischen erfolgreicher Momentumstrategie auf der einen Seite und Herdenverhalten auf der anderen Seite, wie es von den Autoren kritisiert wird. „Im Vermeiden von großen Korrekturen liegt ein großes Potenzial,“ argumentieren die Autoren, „eine langfristige Mehrrendite gegenüber dem Markt zu erzielen. Ein regelbasiertes Risiko-Management mit einem gleitenden Durchschnitt eignet sich hervorragend zur Verlustreduktion.“ Der Fokus des Buches liegt auf empirisch belegbaren Anlage erfolgt durch regelbasierte Portfolios. Ein Beispielportfolio hat zwischen 2002 und 2015 eine höhere Rendite erzielt als die Kaufen-und-Halten-Anlage bei gleichzeitig tieferem Risiko (Volatilität) und tieferem maximalem Verlust.
Ein weiteres Kapitel befasst sich auch mit der Perspektive von Unternehmen, die beispielsweise zur Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter investieren müssen. Dem schließt sich ein ausführliches Kapitel zur Beschreibung und Erklärung von Exchange Traded Funds an. „Bei der Investition in ETFs empiehlt sich ein stufenweises Vorgehen. Der Investor sollte“, so der Rat des Buches, „sich zuerst für die Anlageklasse entscheiden, dann für den Index, dann für ETFs.“
Bei gegebener Kürze klammert das Buch keine Fragen aus. Am Ende des Buches erhält der Leser einen Überblick über Fragen und Antworten, die sich typischerweise einen Anleger stellen, der sich mit dem vorgestellten System der Geldanlage befasst. Das Buch ist klar nicht als wissenschaftliches Werk positioniert, sondern empfiehlt sich als Ratgeber für die Praxis.
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Diagnose richtig, geplante Therapie missraten
Von Dr. Oliver Everling | 10.Oktober 2016
Wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl in den USA hat Hillary Clinton in den Umfragen einen leichten Vorsprung, kann sich aber ihres Einzugs ins Weiße Haus noch nicht sicher sein. „Dies liegt auch an der wirtschaftlichen Lage in den Vereinigten Staaten“, sag Axel D. Angermann von der Feri in Bad Homburg. Angermann analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte.
Von außen betrachtet sehe die wirtschaftliche Lage in Amerika eigentlich sehr gut aus: „Die USA befinden sich derzeit im siebten Jahr eines Aufschwungs, der zwar spürbar moderater ausfällt als in vergangenen Zyklen, die Wirtschaftsleistung aber inzwischen auf ein Niveau getrieben hat, das um mehr als 10 Prozent höher liegt als unmittelbar vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Im Euroraum beträgt das Plus dagegen nur magere zwei Prozent, und ohne das überdurchschnittlich hohe Wachstum Deutschlands wäre es kaum mehr als Stagnation. Noch deutlicher fällt der Vergleich zugunsten der USA mit Blick auf die Arbeitslosigkeit aus: Während die Arbeitslosenquote in den USA von 10 auf weniger als 5 Prozent gesunken ist, verharrt sie im Euroraum auf einem zweistelligen Niveau.“
Für die Amerikaner selbst fühlt sich das alles dagegen nicht so gut an, glaubt Angermann. Warum das so ist, zeigt ein Blick in die Einkommensentwicklung der privaten Haushalte, so Angermann: „Bereits seit dem Jahr 2000 stagnieren die realen Einkommen der meisten US-Amerikaner. Erst im vergangenen Jahr überstieg das durchschnittliche Einkommen das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2007, und das auch nur für die oberen 40 Prozent der Einkommensbezieher. Während in den Jahren ab 2000 die fehlende Dynamik der Einkommen durch steigende Vermögenswerte, insbesondere steigende Hauspreise, überdeckt wurde, ist sie nun, nach dem Platzen der Blase am Immobilienmarkt, für viele unmittelbar spürbar. Aus Sicht der Amerikaner trägt das politische Establishment hierfür die Hauptverantwortung, und weil Hillary Clinton geradezu als idealtypische Vertreterin dieses Establishments erscheint, erklärt sich daraus ein guter Teil der Popularität Trumps.“
Aber würde ein Präsident Trump tatsächlich Abhilfe schaffen? Feris Analyse der Wahlprogramme mit Blick auf die wirtschaftspolitischen Absichten steht immer unter dem Vorbehalt, dass nicht alles, was dort aufgeführt wird, tatsächlich umgesetzt wird. Zwei Punkte lassen sich nach Meinung der Analysten dennoch festhalten: „Mit dem Plan für eine groß angelegte Unternehmenssteuerreform greift Trump ein zentrales Thema für die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft auf. Als das World Economic Forum amerikanische Manager nach den größten Problemen für die Wirtschaft in den USA fragte, bildeten die Höhe der Steuern, die Komplexität des Steuersystems und insgesamt der Umfang der staatlichen Bürokratie die Top Drei der Liste. Die vielen Milliarden Dollar an Gewinnen, die US-amerikanische Firmen im Ausland geparkt haben, um sie nicht der hohen Besteuerung in den USA unterwerfen zu müssen, sind ein weiterer Beleg dafür, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.“
Das wirtschaftspolitische Programm Trumps besteht nicht nur aus diesem Punkt. „Schwer wiegt die eindeutig protektionistische Ausrichtung der Handelspolitik, die von einem Präsidenten Trump zu erwarten wäre. Sie hätte nicht nur deutlich steigende Importpreise und damit einen Kaufkraftverlust der Bürger zur Folge,“ warnt Angermann, „sondern birgt auch die Gefahr von internationalen Auseinandersetzungen bis hin zu Handelskriegen, die schließlich allen schadeten. Noch schädlicher wäre die von Trump in Aussicht gestellte Immigrationspolitik: Die millionenfache Ausweisung illegaler Immigranten würde nicht nur die Erwerbsbevölkerung reduzieren, sondern auch zu steigenden Löhnen gerade im unteren Einkommensbereich führen. Dies provoziert Zinserhöhungen der Notenbank und führt letztlich zu einem sinkenden Potenzialwachstum.“
Wegen der großen Unsicherheit darüber, was ein Präsident Trump tatsächlich umsetzen wollte und könnte, seien konkrete Berechnungen der quantitativen Folgen seiner Politik kaum möglich. Es spreche aber doch fast alles dafür, dass sich die Wirtschaft der USA unter einem Präsidenten Trump schlechter als im Status quo entwickeln würde. Angermann: „Die richtigen Themen nur beim Namen zu nennen, dürfte am Ende nicht ausreichen, um die noch immer größte und wichtigste Volkswirtschaft der Welt auch gut zu führen.“
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Grenzen des (Geld-) Wachstums
Von Dr. Oliver Everling | 9.Oktober 2016
Das unabhängige Schweizer Bonitätsinstitut Independent Credit View AG (I-CV) prüfte im Rahmen der aktuellen, jährlich erscheinenden Länderstudie 51 Staaten auf Herz und Nieren. Die daraus resultierenden Ratings geben institutionellen Anleiheninvestoren und Risikomanagern Erkenntnisse an die Hand, um künftige Anlageentscheidungen darauf abzustützen. Das ist umso wichtiger in einem Umfeld, in dem die expansive Geldpolitik nicht nur die Risikowahrnehmung der Anleger verzerrt, sondern zugleich ihre Grenzen erreicht hat.
Erste Hoffnungsschimmer nach sieben deflationären Jahren, geprägt von Schuldenüberhang und angeschlagenen Banken, machen die Schweizer nur punktuell in Europa aus: „Ein tiefer Eurokurs, günstige Ölpreise und die expansive Geldpolitik der EZB stützen Konsumenten und Unternehmen weiterhin. Der erhoffte breite Aufschwung durch mehr Konsum und Investitionen lässt aber weiter auf sich warten. Vielmehr überschattet ein umfassendes Spektrum an Unsicherheitsfaktoren (Wahlen, Brexit, Wachstum China und Zukunft Japan) zurzeit die Bonität der Staaten.“
„Quantitative Easing funktionierte in den USA sowie in Großbritannien und scheint nun langsam auch in Europa Früchte zu tragen. In Japan geht das Experiment weiter. Als nächstes dürfte Helikoptergeld auf dem Programm stehen. Jedoch verdichten sich die Anzeichen, dass die Grenzen der Geldpolitik inzwischen erreicht sind und die Maßnahmen verpuffen. Es wird künftig an den Regierungen liegen, mit konkreten Entscheidungen (Strukturreformen, fiskalpolitischer Stimulus, Stärkung Bankensystem) für ein nachhaltig positives Wirtschaftsumfeld zu sorgen, welches sich stabilisierend auf die Finanzmärkte auswirkt“, so René Hermann, Lead-Autor der I-CV-Länderstudie.
Für die Regierungen der EU-Länder gilt es insbesondere das Debakel des Brexits für diesen Wirtschaftsraum zu verdauen. Immerhin verliert die EU den drittgrößten Mitgliedsstaat (Bevölkerungszahl) und den zweitgrößten bezogen auf die Wirtschaftsleistung. „Es ist von Bedeutung, dass nach der Schulden- und Eurokrise keine politische Krise in Europa folgt. Die EU wurde vom Brexit geradezu überrollt und muss nun aufpassen, dass der Brexit nicht der Anfang vom Ende der EU darstellt. Die Gemeinschaft benötigt dringend neue Ideen, neue Modelle und vor allem neue Köpfe in der Verantwortung, um die Zukunft der EU zu gestalten und die eigentliche wirtschaftliche Erfolgsgeschichte des Binnenmarkts aufrecht zu erhalten“, sagt Hermann.
Die Ergebnisse der I-CV-Länderstudie weisen unter anderem in einigen Märkten Signale von Blasenbildungen (Unternehmenskredite in China; diverse Immobilienmärkte in Europa) aus. Generell bleiben die Märkte weiterhin von den Fundamentaldaten entkoppelt und anfällig gegenüber Schocks. Auffällig und mit entsprechender Vorsicht zu betrachten ist die Tatsache, dass Italien, Frankreich und andere Staaten der Eurozone die Terrorbedrohung, Brexit sowie anstehende Wahlen zum Anlass nehmen, die Spar- und Reformpolitik endgültig aufzugeben. „Wir erwarten, dass die ungelösten Probleme in der Eurozone (Portugal, Griechenland) bald wieder für Aufruhr sorgen werden. Wir empfehlen deshalb weiterhin eine differenzierte Analyse als Grundlage für Anlageentscheide und bevorzugen Staaten mit stabilen politischen Rahmenbedingungen, intakten Bankensystemen und vorausschauender Fiskalpolitik“, so Hermann.
Hier sind beispielsweise Irland, Niederlande, Neuseeland und Südkorea zu nennen, während zu den anfälligen Ländern Japan und Portugal zählen, die Anleiheninvestoren besser meiden sollten. Opportunitäten bieten sich in Russland und Peru, welche von einer Stabilisierung beziehungsweise Erholung der Rohstoffpreise profitieren. „In unserer aktuellen Analyse stehen fünf Upgrades (Irland, Südkorea, Niederlande, Russland und Slowenien) drei Downgrades (Brasilien, Japan und Portugal) gegenüber. Die Upgrades sind durch Fortschritte in der Konsolidierung des Haushalts, der Rückkehr zum Wachstum und der Umsetzung von Strukturreformen begründet; die Downgrades sind auf eine starke Abschwächung der Kreditkennzahlen sowie politische Unsicherheitsfaktoren (zum Beispiel Abkehr von Reformen) zurückzuführen. Die Schweiz bleibt eines von den vier top gerateten Ländern und auch Deutschland (AA+) und Österreich (AA-) sind unverändert eingestuft“, sagt Hermann.
Das Fazit des Lead-Autors der I-CV-Länderstudie lautet: „Die Überschuldungen von Staaten werden durch den verdeckten Griff in den Geldbeutel der Sparer und Anleger gelöst beziehungsweise aufgeschoben (Inflation, negative Realzinsen). Während sich die Lage in den strapazierten Staaten im besten Fall langsam normalisiert, dürften die Treiber der Erholung einmal mehr die Schwellenländer (Stichwort Wachstum) sein. Eine Reduktion der Schuldenberge ist in Anbetracht der schwachen Wachstumsraten, der allgemeinen Abkehr vom Spar- und Reformkurs nicht realistisch. Dabei wären Haushalts- und Schuldendisziplin gefragter denn je. Immerhin gibt es vereinzelt Staaten, welche sich durch hohe Disziplin und Umsetzungsstärke ausgezeichnet haben und nun die Früchte einer vorrausschauenden Politik ernten können. Für Bondinvestoren bleiben es herausfordernde Zeiten, in denen Risiken unverändert nicht adäquat kompensiert werden und es umso wichtiger ist, bei Anlageentscheidungen die Kreditqualität und die politischen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.“
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Jubiläum der nachhaltigen Renditen
Von Dr. Oliver Everling | 9.Oktober 2016
Wahrlich ein Jubiläum zum Jubeln: Öko-Invest-Chefredakteur Max Deml schreibt in seiner Öko-Invest-Ausgabe zum 25-Jahr-Jubiläum nicht nur traditionell über die Quartalszahlen der nachhaltig orientierten Investmentfonds, sondern nimmt das Jubiläum zum Anlass, auch noch einmal grundsätzlich auf den Erfolg der Ausrichtung seines Dienstes und der Nachhaltigkeitsfonds hinzuweisen.
„Allein die Anzahl und das Volumen dieser Fonds zeigt das enorm gewachsene Interesse am ‚grünen Geld': 1991 gab es nicht einmal ein Dutzend solcher Fonds im deutschsprachigen Raum, heute sind es weit über 300″, berichtet Deml. „Das Gesamtvolumen hat sich in den 25 Jahren mehr als vertausendfacht, von einer 2-stelligen Millionen- auf eine 2-stellige Milliardensumme.“
Fast so viel Geld stecke aber auch z.B. in den 30 Solaraktien des PPVX-Index (23,6 Mrd. Euro) oder in manchem neu gegründeten einzelnen Öko-Unternehmen wie z.B. dem Elektroautohersteller Tesla Motors, dessen Börsenwert inzwischen – nach rund 1.000% Kursgewinn seit dem Börsengang 2010 – bei rund 27 Mrd. Euro liegt.
Zum Vergleich: die vom Dieselabgas-Skandal geschüttelten „fossile“ Vorzugs-Aktien des Volkswagen-Konzerns (mit fast 600.000 Beschäftigten) seien im Herbst 2015 um über 50% auf einen Börsenwert von unter 50 Mrd. Euro gefallen. Zum Sprichwort „Hochmut kommt vor dem Fall“ schreibt Deml, dieses lass sich auch auf manche „konventionelle“ Bank anwenden: „der Kurs der einstmals stolzen Deutschen Bank AG, die in zahlreiche Skandale verwickelt war und der nun eine weitere Milliardenstrafe in den USA droht, ist seit 2007 von über 100 Euro auf nur mehr rund 12 Euro gefallen, während die Umweltbank-Aktie im gleichen Zeitraum von 17 Euro auf über 77 Euro gestiegen ist.“
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Fachmarktzentrum bei Berlin im Portfolio der DEFAMA
Von Dr. Oliver Everling | 7.Oktober 2016
Die Deutsche Fachmarkt AG (DEFAMA) hat einen Kaufvertrag über ein Fachmarktzentrum in Löwenberg bei Berlin geschlossen. Die Investitionssumme beläuft sich auf rund 1,4 Mio. €. Die jährlichen Nettomieterträge liegen derzeit bei rund 200 T€. Die vermietbare Fläche der Immobilie beträgt 3.000 qm. Hauptmieter des 2003 eröffneten und fast voll vermieteten Objekts ist ALDI. Darüber hinaus sind ein inhabergeführter Drogeriemarkt, ein Baumarkt, ein Getränkemarkt sowie vier weitere Geschäfte im Objekt vertreten.
„Wir freuen uns, dass wir erneut eine attraktive Immobilie zu einem günstigen Kaufpreis erwerben konnten“, sagt Matthias Schrade, Vorstand der Deutsche Fachmarkt AG. „Das Objekt gefällt uns durch seinen guten Mietermix und seine Alleinstellungsmerkmale in der Region.“ So beherbergt der Standort den einzigen Drogeriemarkt und den einzigen Baumarkt im Radius von fast 20 km. In weitem Umkreis gibt es kein weiteres Fachmarktzentrum.
Durch die Transaktion erhöht sich die annualisierte Jahresnettomiete der DEFAMA-Gruppe auf rund 3,7 Mio. €. Das Portfolio umfasst nunmehr elf Standorte mit über 52.000qm Nutzfläche, die zu 98% vermietet sind. Zu den größten Mietern zählen ALDI, LIDL, Netto, NORMA, Konsum, Penny, REWE, toom, Hammer, AWG Mode, Dänisches Bettenlager, Deichmann, KiK und RENO.
Die Deutsche Fachmarkt AG verfügt über eine umfangreiche Pipeline an Objekten, welche die Kaufkriterien der Gesellschaft erfüllen. In mehreren Fällen sind die Kaufverhandlungen schon weit fortgeschritten. Daher ist der Vorstand optimistisch, das Portfolio im laufenden Jahr noch weiter ausbauen zu können.
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Sekundärmarktliquidität für Anleihen
Von Dr. Oliver Everling | 29.September 2016
„Es gibt strukturelle Veränderungen“, sagt Susanne Bergsträsser, Head of Department Prospectuses bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, auf der 8. Jahrestagung des Bundesverbandes der Wertpapierfirmen und der ICMA, der Capital Markets Conference. Die Untersuchungen hätten aber gezeigt, dass es keine Veränderung der LIquiität der märkte gab. Bergsträsser sprach auf der Konferenz über das Thema „IOSCO´s Examination of the Secondary Corporate Bond Markets Liquidity“.
Liquidität könne aufverschiedene Art und Weise gemessen werden. Manche Indikatoren zeigten verminderte, andere höhere und eine größere Anzahl von Indikatoren uneinheitliche Ergebnisse. Die vermehrte Nutzung von Technologien habe dazu geführt, dass kleinere Einheiten gehandelt werden können. So können größere Positionen in kleinere Tranchen aufgeteilt werden. Das Handelsvolumen habe in den meisten Staaten deutlich zugenommen, jedoch ging dies nicht unbedingt mit einer höheren Zahl von Emissionen einher.
Der Einfluss von Transaktionen auf die Preisbildung habe sich vermindert, berichtet Bergsträsser. Manche Marktteilnehmer hätten behauptet, dass die Regulierung den Handel teurer gemacht habe. Die Handelsbestände hätten sich gegenüber den Verhältnissen vor der Krise eher vermindert.
Bergsträsser unterstreicht in ihrem Fazit, dass es keinen deutlichen Rückgang der Liquidität in den Sekundärmärkten für Anleihen gegeben habe. Dazu verweist sie auch auch weitere Studien, die zu diesem Thema veröffentlicht worden seien. Diese legen nahe, berichtet Bergsträsser, dass sich die Liquidität sogar noch verbessert habe.
Bergsträsser räumt Schwierigkeiten ein, die für die Untersuchung relevanten Daten zu sammeln. So sei es notwendig gewesen, anekdotisches Wissen zu berücksichtigen. Eine Reihe von Institutionen seien nicht in der Lage gewesen, umfassende Daten zu liefern. Eine Initiative der IOSCO ziele darauf ab, die Sammlung relevanter Daten zu verbessern.
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Wetterleuchten aus dem Anleiheprimärmarkt
Von Dr. Oliver Everling | 29.September 2016
„Getrieben von einem nie zuvor dagewesenen Zugeständnis der Europäischen Zentralbank, ein dauerhaftes Unternehmensanleihen-Aufkaufprogramm aufzusetzen, waren die Primärkmärkte für Anleihen in der vergangenen Woche sehr gefragt“, sagt Michael Boye, Anleiheexperte bei der Saxo Bank. Unternehmen versuchten von günstigen Finanzierungskonditionen zu profitieren und Investoren drängten sich händeringend um High-Yield-Assets.
Unterdessen nahmen Lufthansa und die Norddeutsche Landesbank Abstand von einer geplanten Anleiheemission. Die Nord/LB führte dies auf eine mangelnde Nachfrage zurück. „Für Kreditinvestoren und die Finanzmärkte allgemein ist das eine sehr schlechte Nachricht. Eine Kreditkrise hätte das Potenzial, Assetbewertungen den Boden unter den Füßen wegzuziehen“, sagt Boye abschließend.
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Euler Hermes kooperiert mit Moody’s
Von Dr. Oliver Everling | 28.September 2016
Euler Hermes, Weltmarktführer in der Kreditversicherung, und Moody’s Investor Services haben heute eine Kooperation bekannt gegeben: Über Euler Hermes Rating wollen die beiden Unternehmen künftig gemeinsam europaweit neue, auf kleine und mittelgroße Unternehmen zugeschnittene Rating-Dienstleitungen anbieten. Diese neuen Rating-Angebote sollen erstmalig im Frühjahr 2017 für deutsche Mittelstandsunternehmen auf den Markt kommen und anschließend in weiteren europäischen Ländern angeboten werden.
„Die auf kleine und große Mittelständler zugeschnittene Ratingangebote von Euler Hermes Rating werden jetzt durch die nachweislich hohe Kompetenz in der Entwicklung von Ratingmethoden von Moody’s noch weiter gestärkt“, sagte Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Wir werden die Aktivitäten unserer Ratingagentur mit aktuellem Schwerpunkt auf Deutschland zukünftig nach Europa ausweiten und so dem europäischen Mittelstand seine Wachstums- oder Exportfinanzierung über Kapitalmarktprodukte erleichtern.“
„Mit europaweit vergleichbaren Rating-Standards möchten wir die Transparenz für europäische Mittelständler auf den Kreditmärkten erhöhen“, sagte Ralf Garrn, Geschäftsführer von Euler Hermes Rating. „Wir sind überzeugt, dass wir Mittelständlern in Europa damit einen viel breiteren Zugang zu Kapitalmarktfinanzierung ermöglichen, weil Investoren zukünftig das Risiko von Investments in den Mittelstand nach den von ihnen gewohnten hohen Standards angemessen beurteilen können. Die Kooperation ermöglicht es uns, die Expertise von Euler Hermes in der Unternehmensanalyse im Mittelstand mit der Methodenkompetenz von Moody’s zu vereinen.“
„Euler Hermes genießt wegen der hohen Qualität und der Vollständigkeit seiner Kredit- und Unternehmensanalysen sowie seiner fundierten Kenntnisse des Mittelstands einen hervorragenden Ruf“, sagte Jens Schmidt-Buergel, Deutschlandchef bei Moody’s Investors Service. „Moody’s wird die neuen Rating-Angebote mit seiner Methodenkompetenz unterstützen bei der Entwicklung einer neuen, speziellen Ratingmethode für mittelständische Unternehmen. Wir freuen uns sehr über die Kooperation, insbesondere in einer Zeit, in der mittelständische Unternehmen in Europa vermehrt nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten suchen.“
Als Teil dieser Kooperation hat Moody’s Corporation einen Anteil von 4,99% an der Euler Hermes Rating GmbH erworben, die bisher eine 100%ige Tochtergesellschaft der Euler Hermes AG war.
Euler Hermes Rating GmbH wurde in 2001 gegründet und hat seinen Sitz in Hamburg. Euler Hermes Rating GmbH wurde im November 2010 als erste Ratingagentur in Europa durch die Europäische Finanzaufsicht ESMA als Ratingagentur registriert. Bisheriger Schwerpunkt der Rating-Aktivitäten waren vor allem deutsche Emittenten.
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